Der Thread schließt an die Überlegungen von Fairness an, läuft parallel zu Stars and Followers und ist sowieso Teil der großen Post-Trava-Debatte.
Die wesentliche Überlegung ist: Wir können und dürfen nicht entscheiden, was User:innen wichtig ist. Und wir müssen das Feld der Möglichkeiten, was User:innen wichtig sein könnte, weit öffnen und dieses Feld der Möglichkeiten auch immer erweiterbarer machen. Und am Ende kommen wir nicht zu Formen von „allgemeiner Wichtigkeit“ bestimmter Tätigkeiten, sondern zu Tätigkeiten, die eine hohe oder niedrige persönliche Relevanz für bestimmte Personen haben. Und in der Auswahl von Tätigkeiten ist etwa „die Person, deren Bedürfnis durch die Tätigkeit befriedigt wird, hat viel für andere getan“ nur eine von vielen verschiedenen Formen der Anerkennung, die ich berücksichtigen kann.
Was kann berücksichtig werden?
Eigentlich alles. Drei Kategorien haben sich aus der bisherigen Diskussion für mich herausgebildet:
- Lebensumstände: Vermögen, Kinder, Arbeitsverhältnis, psychische oder körperliche Behinderungen, Geschlecht, Bildungsgrad, etc. pp.
- Anerkennung, Software-intern: (über Tätigkeitsmuster festgehaltener) für andere geleisteter Aufwand, Wichtigkeit der nachgegangen Tätigkeiten, Beliebtheit der nachgegangen Tätigkeiten, insgesamt vollbrachter Aufwand, erbrachter Aufwand der letzten Tage, etc. pp.
- Anerkennung, Software-extern: Reputation auf askubuntu.com, Sterne auf guteFrage.net, Tätigkeit in einem Projekt für Geflüchtetenhilfe, Care-Tätigkeiten für ältere Mitmenschen; von anderen Menschen verliehene Sterne, weil man ein super netter Mensch ist; etc. pp.
- soziale Beziehungen: (ich kann berücksichtigen…) Freundschaft mit bestimmten Personen, Familie; Personen, die bereits etwas für mich getan haben; Personen, die etwas für meine Freunde getan haben; etc. pp.
Auf „Anerkennung, Software-extern“ will ich besonders eingehen: Es gibt bisher viele verschiedene Reputationssysteme, die keinerlei Relevanz außerhalb dieser spezifischen Plattformen haben (siehe z.B. Askubuntu.com oder ähnliche) - mit dem GCS kann diesen Reputationen Relevanz gegeben werden. Aber den meisten Leuten sind Reputationspunkte auf askubuntu.com zum Beispiel vollkommen egal - manch anderen aber nicht. Und die müssen sagen können: Ich will Leute unterstützen, die auf askubuntu anderen unentgeltlich weiterhelfen - weil ich das cool finde und diesem Reputationssystem vertraue. Darum geht es immer: Ich vertraue diesem Reputationssystem, mir persönlich ist das wichtig und ich will für Leute da sein, die Reputation in diesem Bereich haben. Und es kann uns völlig egal sein, welcher Bereich das ist. Das können Rechen-Bienchen sein, die eine Lehrerin an ihre Schüler:innen verteilt und wenn sie das in das GCS integriert, dann will ich für Leute da sein können, die viele Rechen-Bienchen haben. Und wenn eine Institution sagt: „Wir verteilen Sterne, an Leute die besonders nett und hilfsbereit sind“ und ich finde das ist eine gute Sache, dann will ich für Leute da sein, die viele solcher Sterne haben. Somit schaffen wir es auch endlich, aus der rein-Software-internen Anerkennungsnummer Schnittstellen zu unterschiedlichsten Projekten aufzubauen, die sich einfach (intern) nicht über das GCS organisieren. Vertraue ich diesen Reputationen, ja oder nein? Auf andere Beteiligte hat das keinerlei Einfluss - sie müssen nicht einmal wissen, dass es das gibt.
Wie berücksichtige ich?
An sich gibt es daher 1000 verschiedene Lebensumstände, die ich berücksichtigen kann, 1000 verschiedene Formen von Anerkennung/Reputation, die ich berücksichtigen kann und viele verschiedene Formen der sozialen Beziehungen. An sich kann ich bei jeder davon ankreuzen: „Das ist mir wichtig, das ist mir nicht wichtig, das ist mir wichtig,…“ und wenn es mir wichtig ist auch festlegen, wie wichtig es mir ist (im Vergleich zu anderen). Das ist selbstverständlich müßig. Daher brauchen wir eben Voreinstellungen, die ich schließlich für mich individuell anpassen kann. Ob eine Tätigkeit schließlich für mich relevant ist oder nicht basiert ausschließlich darauf, was ich berücksichtigen möchte. Die Kategorien können dabei von User zu User vollkommen unterschiedlich sein.
Ich hab mal eine Grafik dazu gemacht:
Was ist der Vorteil?
- Wir müssen nicht darüber diskutieren, ‚was wichtig ist und wie die Wichtigkeit von a im Verhältnis zu b ist‘, sondern das unterliegt vollständig der Kontrolle der User:innen.
- Reputationssysteme außerhalb der Softwarestruktur lassen sich problemlos integrieren. Es gibt auch keinen Grund, diesen zu überprüfen. Die User:innen geben an, welchen Quellen sie vertrauen und was ihnen wichtig ist.
- ‚Was jemanden wichtig ist‘ lässt sich grenzenlos abbilden. Alle User:innen haben die Möglichkeit ihre eigenen Reputationssysteme einzubinden. Einzelne Freundeskreise sollten spielend leicht einrichten können, dass die Fahrer:innen bei Partynächten Anerkennung bekommen und schließlich (nur von ihnen selbst wieder) berücksichtigt werden.
- Indem wir die Reputationssysteme anderer Projekte etc. abgreifen bzw. um eine Schnittstelle bitten, machen wir das GCS bekannter. Nur (wahrscheinlich?) über das GCS bekommen diese dann auch reale Relevanz. Denkbar ist, dass sich auch Freie Entwickler:innen zunehmend für das GCS interessieren, wenn sie merken, dass ihre Tätigkeit in Hilfsforen etc. hierüber plötzlich wirkliche Vorteile bekommt.
- Wir nehmen uns selbst zurück. Das GCS wird zur Schnittstelle verschiedenartiger Reputationssysteme - das ist die vielleicht open-sourcigste Variante von Anerkennungssystem. Das einzige, was wir noch beisteuern können, sind vielleicht die Voreinstellungen von Haus aus.
Wie kann das auf den MVP verkürzt werden?
Wir lassen wenige Kategorien zu, in etwa:
- geleisteter Aufwand für andere
- beigesteuertes Geld
- beisteuern von beliebten Tätigkeitsmustern (bzw. Rezepten)
- beigesteuerte Lebensmittel
die User:innen wählen ihre persönliche Wichtigkeit nur innerhalb dieser vorgegebenen Kategorien.