The Timeless Way of Re-Production (2/2, deutsch)

The Timeless Way of Re-Production (2/2)

The Timeless Way of Re-Production (1/2)

The Way

Alexander: 354

"Assume, to start with, that some version of the pattern language has been adopted in a town, or in a neighborhood, or by a group of people or a family who adopt it as the basis for the reconstruction of their world – What is the relation between this common pattern language and the constant process of construction and destruction which gives the town its shape?"

Bisher wissen wir, wie ein Tätigkeitsmuster aussieht, wie es entsteht, dass es eine bestimmte Qualität zur Befriedigung von Bedürfnissen hat und, dass es durch die Anwendung dieser Muster eine Bewegungstendenz gibt, welche die Gesamtzahl der häufig angewendeten Tätigkeitsmuster immer weiter reduziert und solche mit hoher Qualität hervorhebt. Wir wissen auch, dass die Auswahl und Anordnung von bestimmten Tätigkeitsmustern abhängig ist vom lokalen Kontext und, dass eine bestimmte Tätigkeit im Geflecht des ununterbrochenen Commonings nicht nur zur Befriedigung eines bestimmten Bedürfnisses beiträgt, sondern Teil verschiedener Commoning-Prozesse sein kann.

Alexander: 355

"It’s a flux of millions upon millions of these tiny acts, each one in the hands of the person who knows it best, best able to adapt it to the local circumstances. - But what will guarantee is there that this flux, with all its individual acts, will not create a chaos?"

Folgend wird herausgestellt, wie durch den Prozess der Selbstzuordnung sinnvolle Re-Produktionsstrukturen konfiguriert werden können, welche sich schließlich manuell den Bedürfnissen der Beteiligten anpassen lassen. Außerdem wird herausgestellt, wie sich aus der Logik dieser Struktur einerseits softwareunabhängige Selbstorganisation ergeben kann, andererseits wie sich bestehende selbstorganisierte Zusammenschlüsse in die Struktur des ununterbrochenen Commonings integrieren können.

Um sich dem anzunähern, muss im Kopf behalten werden, dass Tätigkeiten dem Abbau von Spannung en dienen und diese Spannung en der Aufwand zwischen Bedürfnissen und ihrer Befriedigung sind. Zu diesem Zweck stellen sich sinnvolle Tätigkeiten – insofern sie einmal als Tätigkeitsmuster beschrieben wurden – anhand der lokal verfügbaren Mittel heraus. Worum es folgend geht, ist eine solche Spannung schrittweise in einzelne Tätigkeiten zu differenzieren .

Alexander: 370-372

"The image of the differentiating process is the growth of an embryo. –The unfolding of a design in the mind of its creator, under the influence of language, is just the same. - A language allows you to generate an image of a building in your mind, by placing patterns in space, one pattern at a time"

Die Anwendung der Mustersprache ist bei Alexander der innere Prozess einzelner Personen, bei welcher sich die Architektur aus der schrittweisen Einteilung durch die Muster ergibt. Die Vorstellung eines Designers von gesellschaftlichen Re-Produktionsprozessen mag dagegen in Teilbereichen sinnvoll sein [SWKi: manueller Konfigurationsprozess ], ist allerdings auf gesamtgesellschaftlicher Ebene autoritär und widerspricht dem elementaren Prinzip des Commonings; der Selbstorganisation.

Bei Alexander sind die architektonischen Muster unterschiedlicher Größe so angelegt, dass sie sich in ihrer konkreten Ausführung durch die umgebenden Muster verändern, ihre Essenz dabei aber nicht verlieren. Die im ununterbrochenen Commoning verwendeten Tätigkeitsmuster sind dagegen weniger flexibel. Durch das Resultat und die dafür notwendigen Mittel ist jedes Tätigkeitsmuster klar definiert und damit in dieser Hinsicht unveränderbar. Ihre Anpassungsfähigkeit an den jeweiligen Kontext erhalten die Tätigkeitsmuster dabei nicht durch die Wechselwirkung mit anderen Mustern, sondern durch ihre reine Vielzahl. Im ununterbrochenen Commoning entsteht dabei die grundlegende Konfiguration der Tätigkeitsmuster nicht im Kopf einer einzelnen Person, sondern durch die Selbstzuordnung einzelner Beteiligter zu den Tätigkeiten, welche im Zusammenhang schließlich den Commoning-Prozess bestimmen. Welche Tätigkeitsmuster ausgewählt werden und wer sich ihnen zuordnen wird, ist damit nicht durch einzelnen Personen bestimmbar oder vorhersehbar.

Die Frage ist allerdings, wie Selbstzuordnung ablaufen kann, damit sich daraus qualitativ hochwertige Commoning-Prozesse ergeben. Für die Befriedigung eines jeden Bedürfnisses gibt es potentiell unzählige Möglichkeiten – eben genauso viele Möglichkeiten, wie dieses bestimmte Bedürfnis jemals aus individueller Erfahrung heraus befriedigt wurde und jemand anschließend diese Möglichkeit, als Tätigkeitsmuster beschrieben, in die entsprechende Datenbank eingespeist hat. Und wie jedes Bedürfnis durch unterschiedliche Tätigkeiten befriedigt werden kann, kann auch jeder einzelne Bedarf dafür durch unterschiedliche Möglichkeiten gedeckt werden, genauso wie jeder zur Bedarfsdeckung notwendige Bedarf wieder auf unterschiedliche Weisen gedeckt werden kann usw. usf. Von dem vermittelten Bedürfnis aus ergibt sich damit ein sich immer weiter verzweigender Baum von zusammenhängenden Möglichkeiten zu seiner Befriedigung. Und keine dieser Tätigkeiten muss ausgeführt werden, wenn es auch eine Alternative mit demselben Resultat gibt bzw. es eine Alternative zu der vorherigen Tätigkeit gibt usw. usf.

Alexander: 382-383

"The sequence of the patterns for a design – as generated by the language – is therefore the key to that design. - For once you find the proper sequence, the power to design coherent things follows from it almost automatically […] We can take patterns, step by step, one at a time, because each pattern moulds the whole – and each pattern can mould the whole which is the product of the previous patternings."

Die ideale Konfiguration eines Commoning-Prozesses zeichnet sich durch die insgesamt höchste Qualität der darin enthaltenen Tätigkeitsmuster aus. Je vollständiger die Mustersprache ist – also je mehr mögliche Probleme damit gelöst werden können und je mehr mögliche Lösungen (mit unterschiedlichen dafür notwendigen Mitteln) für jedes Problem es darin gibt – desto idealer kann eine solchen Konfiguration ausfallen. Eine ideale Konfiguration kann dabei durch die Software im jeweiligen lokalen Kontext herausgestellt werden. Das heißt allerdings noch nicht, dass sie auch auf diese Weise realisiert wird – es braucht noch Personen, die sich den einzelnen Tätigkeiten annehmen, sprich, sich ihnen zuordnen. Und da sich Tätigkeiten der Bedarfsdeckung erst ergeben, nachdem eine Tätigkeit für ein bestimmtes Resultat festgelegt wurde, muss diese Selbstzuordnung Schritt für Schritt geschehen. Das erste Tätigkeitsmuster, das festgelegt werden muss, ist dabei die Tätigkeit, welche das Bedürfnis befriedigt. Anschließend werden die Tätigkeitsmuster festgelegt, welche den Bedarf dafür decken usw. usf.

Das am besten geeignete Tätigkeitsmuster ist jeweils das mit der höchsten Qualität und ein Teil dieser Qualität ist die Prozessqualität. Die Prozessqualität entsteht aus der Analyse der im lokalen Kontext verfügbaren Mittel und setzt sich aus dem Aufwand der Tätigkeiten zusammen, die notwendig sind, um durch diese lokal verfügbaren Mittel das anstehende Bedürfnis zu befriedigen. Die Prozessqualität enthält dabei sowohl den Aufwand der Tätigkeit, die im Tätigkeitsmuster beschrieben wird, als auch den Aufwand der Tätigkeiten, die zur Verfügbarmachung des Bedarfes notwendig werden. Das heißt damit einerseits, dass jedes neu festzulegende Muster den Aufwand der gesamten nachfolgenden Konfiguration enthält und andererseits, dass sich die Qualität der bereits festgelegten Tätigkeitsmuster während dieses Konfigurationsprozess es ständig verändern kann. Denn wenn sich auch durch die Analyse des lokalen Kontextes bestimmte Tätigkeiten zur Bedarfsdeckung als ideal herausstellen, dann ist noch nicht gesagt, dass sich auch Personen diesen Tätigkeiten zuordnen werden. Ob das der Fall ist, kann allerdings erst festgestellt werden, nachdem die Tätigkeit festgelegt wurde. Die Aussage, ob eine bestimmte Tätigkeit im bestimmten lokalen Kontext sinnvoll ist, ist also spekulativ. Und diese Spekulation kann nur auf der Grundannahme geschehen, dass nach Festlegung der Tätigkeit sich weitere Beteiligte immer den nachfolgenden jeweils qualitativ höchsten Tätigkeitsmustern zuordnen werden.

Im Konfigurationsprozess wird das Muster mit der (spekulativ) höchsten Qualität zuerst für die Selbstzuordnung freigeschalte t . Ordnet sich in einem geregelten zeitlichen Abstand niemand dieser Tätigkeit zu oder gibt es in der lokalen Umgebung keine Person mit den notwendigen Fähigkeiten und einem prinzipiellen Interesse an der Tätigkeit, kann das Tätigkeitsmuster mit der nächst-höchsten Qualität zur Selbstzuordnung zusätzlich freigeschaltet werden. Der Prozess wiederholt sich, bis eine Selbstzuordnung stattfindet. Wurde sich einer freigeschalteten Tätigkeit zugeordnet und angegeben, welche Bedarfe selbstständig gedeckt werden können, werden die jeweils qualitativ höchsten Tätigkeitsmuster zur Bedarfsdeckung dieser Tätigkeit ebenfalls freigeschalten und der Prozess wiederholt sich für jeden Bedarf erneut.

Die Qualität des jeweils übergeordneten Tätigkeitsmusters verändert sich, wenn zur Bedarfsdeckung nicht das jeweils höchste Muster gewählt wurde. Es ist daher möglich, dass ein bereits festgelegtes Muster während des Konfigurationsprozesses so weit an Qualität verliert, dass ein anderes Tätigkeitsmuster auf derselben Ebene spekulativ eine höhere Qualität zur Bedürfnisbefriedigung haben kann. In diesem Fall kann auch dieses Tätigkeitsmuster zusätzlich freigeschalten werden und bildet einen unabhängigen Strang im Konfigurationsprozess. Tätigkeiten können von da an für beide Stränge freigeschaltet werden, bis sich ein Strang als eindeutig qualitativ hochwertiger herausstellt und die Freischaltung von Tätigkeiten für den anderen Strang dadurch unter- bzw. abgebrochen wird. Über diese Möglichkeit kann über den Prozess der Selbstzuordnung eine Konfiguration entstehen, die im lokalen Kontext Mittel und Beteiligte für eine effiziente Bedürfnisbefriedigung möglichst ideal zusammenbringt. Daraus folgt aber auch, dass nicht jede Selbstzuordnung zu einer Tätigkeit führt. Für die Beteiligten, welche sich einer bestimmten Tätigkeit zugeordnet haben, muss daher der Prozess und Fortschritt des entsprechenden Konfigurationsprozesses transparent sein.

Durch den Konfigurationsprozess beginnt der Commoning-Prozess, vom Bedürfnis ausgehend, Schritt für Schritt an Form zu gewinnen („each pattern moulds the whole“). Einen Sonderfall bildet dabei die Tätigkeit der Ortsveränderung . Nicht im Fall der Ortsveränderung eines bereits verfügbaren Mittels, das der Tätigkeit zugeordnet werden kann, sondern die Ortsveränderung von Mitteln, die erst durch eine andere Tätigkeit verfügbar gemacht werden. Innerhalb der Konfiguration ist sie strukturell näher am Bedürfnis, kann aber erst abgefragt werden – insofern es notwendig ist – nachdem die Tätigkeit, welche das Mittel verfügbar macht, und der Ort ihrer Ausführung festgelegt wurden. Die Tätigkeit der Ortsveränderung eines Mittels zwischen zwei aufeinander bezogenen Tätigkeiten wird daher erst freigeschaltet, nachdem die Tätigkeiten festgelegt und ihr Ort bestimmt wurde oder aber, - falls die Ortsveränderung im jeweiligen lokalen Kontext tendenziell unproblematisch ist – erst nach Abschluss der konkreten Tätigkeit, um die Planung des Gesamtprozesses zu vereinfachen. Ob die Tätigkeit einer solchen Ortsveränderung in den Konfigurationsprozess aufgenommen werden soll oder nicht, muss als Softwarefunktion in den Händen der Personen liegen, zwischen denen das Mittel transportiert werden muss.

Der Konfigurationsprozess zu einer bestimmten Bedürfnisbefriedigung ist abgeschlossen, wenn der Bedarf jeder Tätigkeit entweder durch ein (lokal) verfügbares Mittel oder durch eine andere Tätigkeit gedeckt werden kann.

Alexander: 384

" When the order of the patterns in the language is correct, the differentiating process allows the design to unfold as smoothly as an opening flower."

Der beschriebene Auswahlprozess findet für jedes einzelne Bedürfnis statt. Bedürfnisse derselben Art bündeln sich damit nicht automatisch, sondern werden erst miteinander verbunden, wenn im lokalen Kontext ihrer jeweiligen Vermittlung dasselbe Tätigkeitsmuster freigeschaltet wird. Ganze Commoning-Prozesse werden somit – durch den Verweis auf dasselbe Tätigkeitsmuster im selben lokalen Kontext – miteinander verschlossen. Dass zwei oder mehr Bedürfnisse dadurch auf dieselben Tätigkeiten verweisen, erhöht das Gewicht dieser Tätigkeiten. Je höher das Gewicht einer Tätigkeit, desto sinnvoller ist damit die Tätigkeit für den Gesamtprozess und desto sinnvoller kann die Tätigkeit auch individuell sein, wenn das Gewicht der ausgeführten Tätigkeit mit dem Gewicht der eigenen Bedürfnisse gekoppelt ist.

Ebenso wie die Qualität einer Tätigkeit während des Konfigurationsprozesses, ist das Gewicht einer Tätigkeit bei der Selbstzuordnung spekulativ und davon abhängig, wie viele darauf verweisende Commoning-Prozesse nach der Selbstzuordnung tatsächlich aktiviert werden. Weiter ist hier zu beachten, dass das gesamte Gewicht nur bei Mitteln vollständig „abgebaut“ wird, welche sich durch Teilen vermehren (oft soziale und symbolische Mittel) bzw. welche im lokalen Kontext seriell genutzt werden können. Bei gegenständlichen Mitteln, die sich in der Bedürfnisbefriedigung aufbrauchen, ist eine wiederholte, sprich: kontinuierliche Tätigkeit notwendig. Als Softwarefunktion braucht es hier die Möglichkeit, sich nur einer bestimmten Menge der darauf verweisenden Prozesse anzunehmen.

Auch wenn für einen einzelnen Commoning-Prozess das jeweils qualitativ-höchste Tätigkeitsmuster unbedingt am sinnvollsten ist, kann es für den Gesamtprozess effektiver sein, wenn Tätigkeitsmuster gewählt werden, die zwar eine niedrigere Qualität haben, dafür aber in mehr Prozesse integriert werden können, sprich: ein höheres Gewicht haben. Und da Tätigkeiten nur auf Grund ihrer Qualität freigeschalte t werden und sich erst ab diesem Moment ein mögliches Gewicht ergibt, ist es sinnvoll, Tätigkeiten für die Beteiligten nicht ihrer Qualität, sondern ihrem Gewicht nach zu sortieren. Neben den eigenen Fähigkeiten und Interessen, welche in der jeweils eigenen Bibliothek entsprechend angegeben werden, ist damit das Gewicht der Tätigkeiten das zweite zentrale Kriterium lokal-mögliche Tätigkeiten personenbezogen vorzuschlagen und eine Möglichkeit für die Anwender und Anwenderinnen, den Gesamtprozess gezielt zu durchsuchen.

Alexander: 399-400

"But you cannot create a pattern at full intensity, so long you are worrying and thinking about other patterns, which you will have to deal with later in the sequence. - […] When you start to think about compromises between patterns, you are not taking account of the fact that every pattern is a rule of transformation . The fact that every pattern is a rule of transformation means that each pattern has the power to transform any configuration by injecting a new configuration into it, without essentially disturbing any essentials of the configuration which was there before."

Wenn sich zu allen zu einer bestimmten Bedürfnisbefriedigung notwendigen Tätigkeiten Personen zugeordnet haben, kann durch deren Einwilligung ein Commoning-Prozess aktiviert werden. Ab diesem Moment wird nicht nur klar ersichtlich, wie der Kooperations-Prozess zu einer bestimmten Bedürfnisbefriedigung ablaufen wird, sondern es entsteht auch eine plötzliche Verbindung zwischen konkreten, einander möglicherweise unbekannten Personen. Der Prozess zur Bedürfnisbefriedigung ist nicht mehr oder weniger als das, was diese Personen konkret machen, in der Reihenfolge, dass die eine Person der nächsten bereit stellt, was diese benötigt, um selbst tätig zu werden, bis schließlich das Bedürfnis befriedigt ist. Über diese Tätigkeit in ihrer Ausführung wird damit die Welt einem bestimmten Muster nach verändert („ rule of transformation“ ). Im Fall von Kontinuität können dabei erste Ansätze von Gewohnheit entstehen und dadurch Strukturen zugelassen werden, in denen direkte zwischenmenschliche Beziehungen im bis dahin nur über die Software vermittelten Commoning dauerhaft sinnvoll werden und sich von dort an auf die softwarevermittelte Struktur zurückwirken können.

Alexander: 449

"And we see then, how a group of people can design a complex building – Once they agree about the language, the actual emergence of the form is simple and fluid. When a group of people try to do something together, they usually fail, because their assumptions are different at every stage. But with a language, the assumptions are almost completely explicit from the start. - Of course they no longer have the medium of a single mind, as an individual person does. But instead, the group uses the site „out there in front of them“, as the medium in which the design takes its shape."

An dieser Stelle muss festgehalten werden, dass auch bei über die Software vermittelter, kontinuierlicher Tätigkeit direkte zwischenmenschliche Beziehungen nicht notwendig sind. Sind die konkret verwendeten Mittel (besonders auch die Lokalität der Tätigkeit) und Zeiträume des Prozesses eindeutig definiert, braucht es an sich keinerlei näheren Kontakt zwischen den am Prozess beteiligten Personen.

Was der direkte zwischenmenschliche Kontakt allerdings ermöglicht, sind Absprachen. Sowohl zeitlicher Natur, als auch, ob noch Hilfe benötigt wird oder etwa, an welcher Stelle das zuerst gefertigte Resultat einer kontinuierlichen Tätigkeit am dringendsten gebraucht wird. Weiter wird die Erfahrung ermöglicht, dass es echte Menschen sind, die sich darauf verlassen, dass die eigene Tätigkeit gemacht wird und, dass sie gut gemacht wird. Und direkte zwischenmenschliche Beziehungen ermöglichen direkte Rückmeldung, wenn etwas gut oder mangelhaft gemacht wurde. Weiter ermöglichen direkte zwischenmenschliche Beziehungen, dass auftretende Probleme schnell und unkompliziert geklärt werden können. Statt lange darauf zu warten, dass etwas selbst Benötigtes zur Verfügung gestellt wird, schnell in der entsprechenden Produktionsstätte mit anpacken zu können oder einen Transport selbst zu übernehmen. Und weiter Menschen kennenzulernen, mit denen solche Prozesse gerne zusammen angegangen werden oder schlicht die Eigenheiten von anderen berücksichtigen zu können und dabei auch unvermittelte Fürsorge zu leisten. Direkte zwischenmenschliche Beziehungen sind daher nicht nur hilfreich, sondern auch sinnvoll für die Effizienz des ununterbrochenen Commonings.

Und was die Software elementar hierfür bereitstellen muss, sind Möglichkeiten der Kommunikation zwischen den am Commoning Beteiligten. Jede Person innerhalb eines eigenen Commoning-Prozesses muss kontaktiert und jede Person im gleichen Zusammenhang einem solchen Gespräch hinzugefügt werden können. In den dadurch entstehenden Gruppen muss schnell ersichtlich sein, welche Personen welcher der in Zusammenhang stehenden Tätigkeiten nachgeht. Weiter müssen Ergebnisse solcher Kommunikationen transparent für alle Beteiligten des jeweiligen Commoning-Prozesses gemacht werden können.

Alexander: 459

"Now we come to the actual building of the building. - Again, just as before, the process is sequential. Only now the patterns operate not on a mental image, but on the building itself, as it is being built. Each pattern defines an operation, which helps to differentiate, and to complete, the building as it grows: and when the last patterns are introduced into the growing fabric, the building is complete."

Nachdem ein Commoning-Prozess aktiviert wurde und die teilnehmenden Personen in Verbindung gebracht wurden, folgen die Tätigkeiten einer klaren Reihenfolge: Angefangen von der am „weitesten“ vom Bedürfnis entfernten Ebene werden die Mittel für die nächsthöhere verfügbar gemacht. Sind alle Mittel für eine bestimmte Tätigkeit verfügbar gemacht worden, kann diese einen Bedarf der übergeordneten Tätigkeit decken usw., bis schließlich als letzter Schritt das Bedürfnis selbst befriedigt wird.

Spätestens wenn das letzte an einer kontinuierlichen Tätigkeit anstehende Bedürfnis befriedigt ist, löst sich der Commoning-Prozess wieder auf. Einzelne Tätigkeiten des Prozesses bleiben selbstverständlich bestehen, insofern sie Teil anderer Commoning-Prozesse sind. Als Softwarefunktion müssen Teilbereiche der Konfiguration als feste Zusammenhänge von sowohl den Tätigkeiten als auch sich ihnen zugeordneten Personen gespeichert werden können, damit bei Wiedereintritt desselben Bedürfnisses dieselben Personen die Möglichkeit haben, sich diesen wieder anzunehmen und den Prozess der Selbstzuordnung damit zu überspringen. Die Funktion ist damit eine Erweiterung der Angabe von Kontinuität auf Gruppenebene und kann genauso eine vorsorgende Reservierung von Mitteln beinhalten. Eine solche Sicherung von Zusammenhängen muss zwischen den beteiligten Personen abgesprochen sein und benötigt die Zustimmung jeder beteiligten Person. Im Konfigurationsprozess kann ein solcher Zusammenhang benachrichtigt werden, sobald Tätigkeitsmuster für das „höchste“ Resultat des Zusammenhangs freigeschalten werden.

Alexander: 479-480

" No building is ever perfect. - Each building, when it is first built, is an attempt to make a self-maintaining whole configuration. - But our predictions are invariably wrong. People use buildings differently from the way they thought they would. And the larger the pieces become, the more serious this is. […] - It is therefore necessary to keep changing the buildings according to the real events which actually happen there. "

Die durch Selbstauswahl aktivierten Commoning-Prozesse sind aus unterschiedlichen Gründen nicht ideal. So ist es etwa problematisch, dass im Konfigurationsprozess in zeitlichen Abständen immer mehr, aber damit auch immer qualitativ niedrigere Tätigkeitsmuster vorgeschlagen werden und es damit auch dem Zufall überlassen ist, wann sich jemand zuordnet und damit die weitere Richtung des Prozesses bestimmt. Genauso können sich Zusammenhänge von Tätigkeitsmustern, die rein auf Softwareebene sinnvoll erscheinen, als unpraktisch in der konkreten Anwendung herausstellen. Möglich kann genauso sein, dass Personen nicht zuverlässig sind oder sich etwa selbst überschätzt haben und dadurch der Prozess nicht reibungslos vonstatten geht. Oder aber: Eine Tätigkeit fügt sich zwar sehr gut in einen bestimmten Commoning-Prozess ein, allerdings kann die Verwendung eines anderen, aber ähnlichen Tätigkeitsmusters, dazu führen, dass sie sich besser in den Gesamtprozess integriert.

Alexander: 480

"It is therefore necessary to keep changing the buildings, according to the real events which actually happen there – And the larger the complex of buildings, neighborhood, or town, the more essential it is for it to be built up gradually, from thousands of acts, self-correcting acts, each one improving and repairing the acts of the others."

Der Konfigurationsprozess durch Selbstzuordnung ist eine Möglichkeit, wie ein Commoning-Prozess über die Software vermittelt geformt werden kann, der Reparaturprozess eine zweite. Diese Zweite baut auf existierenden Commoning-Prozessen auf und lässt die daran Beteiligten diese Prozesse manuell ihren Vorstellungen nach verändern.

Die Veränderung eines Commoning-Prozesses kann jederzeit vorgenommen werden, sofern sie in Übereinkunft mit allen davon Betroffenen geschieht. Rein auf Ebene der Effizienz kann ein solcher Reparaturprozess sinnvoll sein, um Tätigkeitsmuster mit höherer Qualität und höherem Gewicht in den Gesamtprozess zu integrieren. Besonders bei kontinuierlichen Tätigkeiten im Zusammenhang kann das notwendig werden, wenn sich die Verfügbarkeit von Mitteln im lokalen Kontext so verändert, dass es sich auf die Prozessqualität der Tätigkeiten signifikant auswirkt, sprich, diese deutlich aufwendiger werden, als es während des Konfigurationsprozesses der Fall war. Auf rein menschlicher Ebene kann ein Reparaturprozess sinnvoll sein, um durch die Softwarevermittlung entstandene Strukturen, welche auf Softwareebene sinnvoll wirken, an das tatsächliche Leben und dem, was sich darin sinnvoll und richtig anfühlt, anzupassen. Und weiter kann es vorkommen, dass Personen aus aktivierten Commoning-Prozessen wegfallen und niemand anderes die bestimmte Tätigkeit übernehmen kann oder will – in dem Fall ist eine Veränderung der Konfiguration notwendig, um die bestimmte Bedürfnisbefriedigung weiter gewähren zu können.

Alexander: 483-485

"When things are first built, the gaps between the parts are often left unwhole. - But these gaps must be healed and made as whole as the parts on either side of them - […] Slowly, as the »process of repair« repairs the gaps between the wholes, the structure becomes complete and whole at every level."

An dieser Stelle zur Erinnerung: Die Vision ist eine Gesellschaft, die aus dem Alltagsbewusstsein heraus einfach verstanden werden kann. Bei der jede ausgeführte, gesellschaftliche Tätigkeit gezielt und nachprüfbar reale Bedürfnisse befriedigt. Eine Gesellschaft, deren Strukturen sich den menschlichen Bedürfnissen anpasst, also dem, was individuell als richtig und gut empfunden wird. Und das in jedem Lebensbereich. Eine Struktur, die damit auch nicht starr ist, sondern im stetigen Wandel, wie die Umstände und die Menschen selbst. Eine Gesellschaft, in der es zwar auch Krisen und Engpässe geben mag, an denen aber gemeinsam gearbeitet werden kann, in denen auf Augenhöhe Konflikte gemeinsam gelöst werden. Die Software selbst ist ein Werkzeug – eine Vermittlungsform –, das den Weg in eine solche Welt unterstützen kann. Durch den Konfigurationsprozess wird versucht, eine Effizienz der Bedürfnisbefriedigung herzustellen, wodurch allerdings Strukturen entstehen können, die den Bedürfnissen der darin Beteiligten widersprechen. Der Reparaturprozess ist daher auch ein Werkzeug, um gegen die Logik de r Software die Welt den eigenen Bedürfnissen nach zu gestalten.

Alexander: 485

"When we repair something in this new sense, we assume that we are going to transform it, that new wholes will be born, that, indeed, the entire whole which is being repaired will become a different whole as the result of the repair – In this sense, the idea of repair is creative, dynamic, open."

Die Software muss also um die Funktion erweitert werden, dass Konfigurationen manuell und in Absprache mit sämtlichen davon Betroffenen verändert werden kann. Das heißt, es werden neue Tätigkeitsmuster hinzugefügt und andere aus dem Prozess herausgenommen. Ob sich dann direkt in diesen Absprachen Personen den neuen Tätigkeiten zuordnen oder eine Selbstzuordnung dafür freigegeben wird, ist nicht relevant. Beides sollte über die Software möglich sein.

An dieser Stelle sind Momente der von der Software unabhängigen Selbstorganisation in Form von Absprachen zwischen konkreten Personen nicht nur sinnvoll, sondern unbedingt vorausgesetzt. Erste Formen von Konfliktlösungsmechanismen auf Softwareebene können in diesem Prozess hilfreich sein. Eine Analysefunktion , in welcher etwa ausgewertet werden kann, welche Konfigurationen unter Beibehaltung bestimmter Tätigkeitsmuster möglich wären oder welche Veränderungen die Integration eines neuen Musters nach sich zieht, kann diesen Prozess außerdem unterstützten.

Alexander: 486

"In this framework, we gain an entirely new view of the process through which a sequence of acts of building generates a whole”

Wenn wir solche Prozesse der nicht-Software-vermittelten Selbstorganisation als sinnvolle Handlungsmöglichkeiten ansehen, wie sie durch die Softwarevermittlung entstehen können, dann beobachten wir an dieser Stelle, wie diese in Teilbereichen des Gesamtprozesses immer bedeutender werden könnten. Die Frage ist, wohin wir gelangen, wenn nicht-Software-vermittelte Selbstorganisation für einzelne am ununterbrochenem Commoning Beteiligte bestimmend wird. Und durch die Beantwortung der Frage müssen Rückschlüsse auf die Software genommen werden, um diese mögliche Entwicklung unterstützen zu können, ohne, dass diese Form der Selbstorganisation aus dem ununterbrochenen Commoning herausfällt. Diese Form der Selbstorganisation, welche von der Softwarevermittlung weitgehend unabhängig ist, trotzdem aber Teil der generellen Bedürfnisbefriedigung bleibt, wird folgend als eine neue Qualität begriffen.

Alexander: 500

"This is commonplace, in the growth of an organism, where all the larger patterns are generated, merely as the end products of tiny, daily transformations. - At any given moment, in a growing organism, there is no sense of the „end“ or of the final „goal“ of growth. There is, instead, a process of transformation, which is able to take the present state of the organism, and move it slightly, in the next minute of growth – in such a way that when the same process is then repeated in the minute after that, and in the minute after that, slowly, inexorably, the necessary patterns come into being – not according to some plan, but as the product of a sequence of transforming steps."

Auch bei Alexander gibt es einen qualitativen Umbruch . Er entsteht durch die schrittweise Integration von Mustern in die Ganzheit des Designs, wodurch größere Muster als Produkt dieser kleinen transformativen Schritte („transforming steps“) entstehen. Dagegen gibt es keine „größeren Tätigkeitsmuster“. Es gibt durch Fähigkeiten höher skalierte komplexe Tätigkeitsmuster , die allerdings nur eine Bündelung einzelner Tätigkeitsmuster sind und keine neue Qualität im Sinne einer anderen Form der Selbstorganisation darstellen. Um die neue Form der Selbstorganisation mit entsprechenden Softwarefunktionen unterstützen zu können, muss die Transformation dorthin möglichst exakt beschrieben werden. Und Christopher Alexander, dessen Mustersprache nicht aus Prozessen besteht , kann uns hier nicht helfen. Wer sich dagegen intensiv mit genau solchen transformativen Prozessen auseinandergesetzt hat, ist Klaus Holzkamp.

Auftritt Holzkamp.

Wie schon bei Alexander interessiert uns in Holzkamps Werk nicht sein Gegenstand, sondern seine Methode, die er in seinem Hauptwerk „die Grundlegung der Psychologie“ (1985) herausgearbeitet hat: Ein Fünfschritt, in welchem der Umschlag von der Quan t ität zu einer neuen Qualität präzise beschrieben wird, unter der Voraussetzung bestimmter Bedingungen und gegebener Entwicklungswidersprüche. Die erste Anwendung dieses Fünfschritts im Bereich der gesellschaftlichen Transformation stammt dabei von Stefan Meretz, welcher diese in „Kapitalismus aufheben“ (2018) gemeinsam mit Simon Sutterlütti näher ausgearbeitet hat. Und während Klaus Holzkamp seine Methode verwendet hat, um zu analysieren, was bereits passiert ist , wird folgend spekulativ angedacht, welche Handlungsmöglichkeiten bei steigender Komplexität sinnvoll werden könnten und wie die Software sie im Falle ihres Auftretens unterstützen kann. Weiter soll damit auch herausgestellt werden, wie bestehende Formen der Selbstorganisation , welche sich nicht innerhalb des Rahmens der Softwarevermittlung gebildet haben, sich – soweit es für die daran Beteiligten sinnvoll erscheint – in die Struktur des ununterbrochenen Commonings integrieren können.

Holzkamp: 78

Erster Schritt: Aufweis der realhistorischen Dimension innerhalb der jeweils früheren Stufe, auf denen der qualitative Umschlag sich vollzieht. […] Es soll genau die ›Position‹ bestimmt werden, die beim qualitativen Umschlag dialektisch negiert wird.“

Die durch die Software ermöglichte Vorbedingung (Holzkamp mit dem Blick zurück: „realhistorische Dimension“ ) ist eine transparente Struktur aus tendenziell kontinuierlichen Tätigkeiten in lokaler Nähe, wobei jede davon für sich steht, diese aber durch ihren Bedarf an Mitteln und dem Zweck in ihrer Ausübung in Abhängigkeit zueinander stehen. Die Organisation der Mittel und die Integration der eigenen Fähigkeiten in die ununterbrochenen Prozesse der direkten Bedürfnisbefriedigung wird über die Software vermittelt.

Holzkamp: 79a

Zweiter Schritt: Aufweis der objektiven Veränderungen der Außenweltbedingungen , mit denen der innere Entwicklungswiderspruch , durch welchen die neue Qualitätsstufe in evolutionärer Progression hervorgebracht werden kann, in seinem Umwelt-Pol zustandekommen soll.“

Wird die Software selbst als der „ Umwelt-Pol“ der am ununterbrochenen Commoning Beteiligten betrachtet, dann ergeben sich die „objektiven Veränderungen der Außenweltbedingungen“ durch die für sie steigende Komplexität des Gesamtprozesses und die damit einhergehende, auf dem fragilen Fundament der Freiwilligkeit beruhende, zunehmende Abhängigkeit von der Ausführung bestimmter Tätigkeiten. Weiter noch, als Teil dieses „ inneren Entwicklungswiderspruches“, kann die zunehmende Komplexität und steigende Abhängigkeit von einzelnen Tätigkeiten erfordern, dass Personen, deren Tätigkeit in verschiedene Commoning-Prozesse integriert ist, einer immer strikteren Zeitplanung unterworfen sind und somit Handlungsfreiheit, welche das Commoning eigentlich erweitern soll, wieder eingeschränkt wird. Und gleichzeitig ist jede beteiligte Person dem Umstand ausgesetzt, dass andere, von deren Tätigkeit die eigene Tätigkeit abhängig ist, dieser nicht bzw. nur auf problematischer Weise nachgehen. Diese problematische Weise kann eine unzureichende sinnlich-funktionale Qualität der Resultate oder etwa eine stärkere zeitliche Verzögerung sein. Treten mehrere solcher Störungen innerhalb des Commonings zeitnah auf und beziehen sich viele verschiedene einzelne Commoning-Prozesse auf dieselben Tätigkeiten, denen unerwartet nicht mehr nachgegangen wird, kann es möglich sein, dass schon wenige solcher Störungen weite Teile des ununterbrochenen Commonings so stark beeinträchtigen, dass (existenzielle) Bedürfnisse nicht befriedigt werden und von einer Krise gesprochen werden kann.

Eine erste Softwarefunktion, um diese Störungen bzw. Krisen abzumildern, kann eine halb automatische Zeitplanung sein. Durch eine Kenntnis der ungefähren Dauer von bestimmten Tätigkeiten und der Zeiträume, denen sich die beteiligten Personen für das Commoning nehmen wollen, können über die Software sinnvolle Zeitpläne vor ge schlagen werden. Eine solche Funktion kann die Zeitplanung für die Beteiligten erleichtern, aber den Ausfall einzelner Tätigkeiten (bzw. ihre problematische Ausführung) nicht verhindern. Eine zweite Funktion zur Abmilderung dieser Störungen bzw. Krisen, kann daher die vorsorgende Selbstzuordnung zu Tätigkeiten sein, die entweder bereits ausgeführt werden oder zu denen sich bereits andere Personen zugeordnet haben. Falls eine Person damit einer geplanten Tätigkeit nicht nachgeht, kann die sich der aktivierten Tätigkeit als nächstes zugeordnete Person damit angefragt werden.

Die Software sollte solche Funktionen anbieten. Beide Funktionen unterstützen allerdings nicht die Entwicklung einer von der Software weitgehend unabhängigen Form der Selbstorganisation, sondern bewegen sich weiterhin innerhalb des Rahmens der Softwarevermittlung.

Holzkamp: 79b

Dritter Schritt: Aufweis des Funktionswechsel der (im ersten Schritt) aufgewiesenen relevanten Dimensionen als Organismus-Pol des Entwicklungswiderspruchs, damit der Entstehung des ersten qualitativen Sprungs der Herausbildung der Spezifik der neuen Funktion unter den veränderten Außenweltbedingungen.“

Verbindliche Absprachen und direkte Konfliktklärung zwischen den Personen, die bei der Ausübung ihrer Tätigkeiten in direkter Verbindung zueinander stehen, ist die andere Möglichkeit, solche Störungen bzw. Krisen vorzubeugen. Diese Form der direkten zwischenmenschlichen Beziehungen ermöglichen es überhaupt, die Bedürfnisse, Besonderheiten und Lebensumstände der anderen in das eigene Handeln einzubeziehen und aufkommende Konflikte schnell und unkompliziert lösen zu können. Anstehende und damit den Tätigkeiten kontinuierlich zweckgebende Bedürfnisse vorausgesetzt, lässt sich spekulativ sagen, dass die Tätigkeiten der Personen tendenziell länger störungsfrei ausgeführt werden können, welche direkte zwischenmenschliche Beziehungen in Form verbindlicher Absprachen und direkter Konfliktklärung eingehen.

Der „erste qualitative Sprung“ sind solche direkt zwischenmenschlichen Absprachen und Konfliktlösungen, die der Erhaltung der über die Software hervorgebrachten Struktur dienen. Da es aber auf einer Ebene geschieht, welche die Softwarevermittlung selbst nicht betrifft, kann über die Software als unterstützende Funktion höchstens angeboten werden, solche Absprachen transparent zu machen, um so Planungsprozesse für andere zu erleichtern.

Holzkamp: 80a

Vierter Schritt: Aufweis des Dominanzwechsels zwischen der für die frühere Stufe charakteristischen Funktion und der neuen Funktion, womit durch einen z weiten qualitativen Sprung die qualitativ spezifische Funktion auch die für die gesamte Systemerhaltung bestimmende Funktion wird. […] Eine solche Umkehrung des Verhältnisses zwischen bestimmender und nachgeordneter Funktion als Dominanzwechsel ist, obwohl sich beide Funktionen in der Entwicklung kontinuierlich darauf zubewegen, selbst nicht kontinuierlich , sondern ein punktuelles Umkippen.“

Der „Dominanzwechsel“ geschieht für die Beteiligten nicht plötzlich. Er entsteht, indem einzelne Beteiligte sich immer mehr auf die selbstgesetzten Regeln und Absprachen beziehen und sich damit immer weniger (im Rahmen dieses Zusammenhangs) über die Software vermitteln. Der „zweite qualitative Sprung“ sind dabei solche Absprachen, die in die Organisation der Mittel und der Tätigkeiten selbst eingreifen, wodurch die Softwarevermittlung zum Hemmnis wird. Wenn es also für die Beteiligten ein kontinuierlicher Prozess zur von der Software weitgehend unabhängigen Selbstorganisation ist, braucht es auf Softwareebene einen Bruch mit den für sich stehenden Tätigkeiten, welche durch etwas qualitativ anderes ersetzt werden müssen. Dieser Bruch innerhalb der Software muss dabei durch die Beteiligten ausgelöst werden, geschieht also nicht von selbst.

Sofern ein solcher softwareunabhängiger Zusammenschluss, in welchem sich die daran beteiligten Personen ihre eigenen Regeln setzen und Tätigkeiten und Mittel selbstständig koordinieren, Teil des ununterbrochenen Commonings bleibt, wird er als „ integrierte r Zusammenschluss“ bezeichnet. Eine definierte Gruppe von Personen schließt sich dabei auf einer Ebene zusammen, welche die Software nicht fassen kann, aber dieser Zusammenschluss muss durch die Integration in das ununterbrochene Commoning von der Software gefasst werden können. Und das dabei nur insofern, wie die daran Beteiligten sich in das ununterbrochene Commoning einbringen wollen. Denn, und das nur eine allgemeine Erinnerung, das softwarevermittelte Commoning ist lediglich eine Vermittlungsform und kann nur das abbilden und nur das unterstützen, was von den Beteiligten gewollt ist. Es ist ein Werkzeug um Commoning auf gesamtgesellschaftlicher Ebene überhaupt betreiben zu können, aber nur ein Aspekt des Commonings an sich. Wenn ein Zusammenschluss innerhalb der Softwarestruktur auftritt, bedeutet es damit nicht unbedingt, dass er erst unmittelbar entstanden ist und wenn ein solcher Zusammenschluss aus der Softwarestruktur verschwindet, bedeutet es nicht unbedingt, dass er nicht mehr existiert.

Die Integration eines Zusammenschlusses ersetzt die Tätigkeitsmuster an entsprechender Stelle. Und sowie die Entstehung solcher Zusammenschlüsse aus der Vermittlung über Tätigkeitsmuster heraus unterstützt werden soll, muss auch die Auflösung in Tätigkeitsmuster zurück möglich sein. Außerdem benötigt die Software die Funktion, dass ein Zusammenschluss auf Ebene der Softwarestruktur deaktivierbar ist, um ihn zu einem späteren Zeitpunkt wieder reaktivieren zu können. Diese Funktion schließt damit an die Softwarefunktionen der Angabe zur Kontinuität von Tätigkeiten und der Abspeicherung von Konfigurationen bestimmter Gruppen an.

Holzkamp: 80b

Fünfter Schritt: Aufweis der Umstrukturierung und neuen Entwicklungsausrichtung des Gesamtsystems, nachdem die qualitativ spezifische Funktion für die Systemerhaltung bestimmend geworden ist. Hier ist sowohl zu zeigen, welche älteren Dimensionen im neuen Zusammenhang funktionslos werden, als auch, wie sich die Funktion früherer Dimensionen neu bestimmt, und wie sich unter der neuen Leitfunktion spezifische strukturelle und funktionale Differenzierungen in der weiteren Entwicklung ergeben“

Folgend geht es nicht um neue Entwicklungsausrichtung des Gesamtsystems bzw. des Gesamtprozesses , sondern nur um die neue Entwicklungsausrichtung von geschlossenen Zusammenhängen innerhalb von diesem. Die Fragen sind: Welche Umstrukturierungen müssen zur Integration solcher Zusammenschlüsse an der Software vorgenommen werden, welche ihrer bisherigen Funktionen müssen neu bestimmt und welche funktionslos werden? Um sich dem anzunähern, müssen wir zurück zu den Anfängen der modernen Commons-Forschung und wenden uns hier Elinor Ostrom und ihren Design-Prinzipien für langlebige Commons-Institutionen zu. Durch eine knappe Kenntnis dieser über Jahrzehnte der Feldforschung erschlossenen Prinzipien für langlebige Commons soll herausgestellt werden, welche „ spezifischen strukturellen und funktionalen Differenzierungen“ auf Softwareebene vorgenommen werden müssen.

Holzkamp tritt ab.

Folgend die acht Prinzipien von Ostrom in Kürze. Um die Verbindungen dieser Prinzipien zur Softwarekonzeption verständlicher zu machen, sind einige Begriffe dem Kontext nach abgeändert. Bei der ersten Verwendung der interpretierten Begriffe sind die von Ostrom verwendeten Begriffe in Klammern angehängt – deutsch, wenn die Übersetzung problemlos möglich scheint; englisch, wenn dem nicht so ist. Weiter wird dem strikt gesetzten Rahmen des ununterbrochenen Commonings treu geblieben und auch Institutionen staatlicher Macht (Behörden/Regierung) werden innerhalb dieses Rahmens interpretiert:

  1. Es gibt klar definierte Grenzen , wer oder was zu einem Commons gehört. 2. Die Regeln der gemeinsamen Tätigkeit („Aneignung und Bereitstellung“) innerhalb eines Commons („an einer Ressource“) entsprechen den lokalen Bedingungen. Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen Aufwand und Nutzen („Aneignung und Bereitstellung“). 3. Die meisten von der Tätigkeit eines Commons betroffenen Personen sind autorisiert um an Entscheidungen zur Veränderung oder Erstellung von Regeln für das Commons teilzuhaben. 4, Einzelne am Commons beteiligte Personen sind verantwortlich, die Tätigkeiten der anderen am Commons Beteiligten und den Zustand der Mittel („Ressourcen“) zu überprüfen . 5. Wenn gegen die festgelegten Regeln verstoßen wird, führt es zu Sanktionen, die sich durch die Häufigkeit der Regelverletzungen verstärken. 6. Es gibt schnelle und wenig aufwendige („kostengünstige“) Konfliktlösungsmechanismen und Räume, an denen diese Konflikte zwischen an Commons Beteiligten und solchen, die nicht am Commons beteiligt sind („Behörden“) gelöst werden können. 7. Das Recht der Beteiligten sich ihre eigenen Regeln machen zu können, wird von denjenigen, die in aktiven Zusammenhang mit im Commons verwendeten Mitteln stehen („Regierung“) anerkannt . 8. Wenn die in einem Commons verwendeten Mittel („common-pool resources“) Teil einer größeren, qualitativ andersartigen Vermittlungsstruktur sind („connected to a larger social-ecological system“) gibt es vermittelnde Regeln zur Verfügung über diese Mittel („governance activities are organized in multiple nested layers“).

Die Designprinzipien im Wortlaut: https://www.nobelprize.org/uploads/2018/06/ostrom_lecture.pdf, S. 422. (zuletzt abgerufen: 20.9.19). Übersetzung von Silke Helfrich in Frei, Fair, Lebendig: S.317-318

Wenn die integrierten Zusammenschlüsse auch starke Parallelen zu den nach Ostrom beschriebenen Commons haben, ist die Verwendung des Begriffes selbst irreführend und die Übertragung der Prinzipien darauf nicht widerspruchsfrei möglich: Das Commons bei Ostrom ist eine Besonderheit innerhalb einer durch (privates) Eigentum bestimmten Umgebung. Das zeigt sich besonders dadurch, dass es bei Ostrom als individueller Vorteil um die „Aneignung“ ( Appropriation ) der Ressource geht. Im Zentrum steht also ein Mittel (bzw. die „Ressource“), das nicht Eigentum einer konkreten Person bzw. einer Gruppe konkreter Personen ist und wodurch niemand alleine über dessen Nutzung bestimmen kann. Aus diesem Grund kann sich um dieses bestimmte Mittel ein Zusammenschluss von Personen bilden, in welchem alle dasselbe Nutzungsrecht an der Ressource haben und welcher schließlich dessen Nutzung regelt. Und dieser Zusammenschluss und dieses Mittel werden bei Ostrom als Einheit , als Commons, beschrieben. In einer von Commoning bestimmten Umgebung löst sich diese Einheit dagegen auf. Die für den Prozess des Commonings verfügbaren Mittel sind nicht länger Inseln, sondern das Fundament, auf welchem sich die Beteiligten – und damit auch Zusammenschlüsse von Beteiligten – bewegen.

Johannes Euler hat die hier wohl eindrücklichsten neuen Definitionen von Commons und Commoning gefunden: „Commons is the social form of (tangible and/or intangible) matter that is determined by commoning". Und: „Commoning shall be described as voluntary and inclusively self-organized activities and mediation of peers who aim at satisfying needs" (Conceptualizing the Commons", in Ecological Economics 143 , S.12).

Die Übertragung der Prinzipien ist weiter deswegen problematisch, weil sich bei Ostrom sämtliche Regelungen, Sanktionen und Konfliktlösungsmechanismen den Zweck haben, die gemeinsame Verwendung des Mittels zu ermöglichen bzw. das Verhältnis des Mittels zu anderen Institutionen zu klären. Im ununterbrochenem Commoning dagegen hat der Zusammenschluss einen anderen Zweck: Die generelle Bedürfnisbefriedigung . Bei Ostrom entsteht dabei der individuelle Vorteil über diese Aneignung des Resultates der Tätigkeit am Mittel und im Gegensatz muss etwas bereitgestellt werden. Im ununterbrochenem Commoning dagegen wird das Resultat der eigenen Tätigkeit bzw. der Tätigkeit des Zusammenschlusses von anderen verwendet und der individuelle Vorteil entsteht auf andere Weise.

Abermals kann an dieser Stelle nur auf die Textreihe zum Softwarekonzept verwiesen werden. Genauer auf Teil 4 mit dem Schwerpunkt Beteiligung und individueller Vorteil

In Einbeziehung dieser Unterschiede wird folgend die Software den Prinzipien von Ostrom nach differenziert , damit solche nicht über die Software vermittelten Zusammenschlüsse innerhalb des ununterbrochenen Commonings ihren eigenen Regeln nach wirken und tendenziell langlebig sein können.

Die Entstehung von integrierten Zusammenschlüssen bedeutet auf Strukturebene der Software eine Auflösung der für sich stehenden Tätigkeitsmuster innerhalb des entsprechenden Zusammenhangs, während der integrierte Zusammenschluss selbst deren Platz einnimmt. Ein integrierter Zusammenschluss kann, muss aber nicht , innerhalb der durch die Softwarevermittlung hergestellten Struktur und damit aus Tätigkeitsmustern heraus entstehen, ist aber ab seiner Entstehung unabhängig von diesen. Jeder integrierte Zusammenschluss ist dabei prinzipiell einzigartig durch die Regeln der daran Beteiligten und ihrer Organisation der Tätigkeiten. Während ein Tätigkeitsmuster daher einer möglichst allgemeingültigen Beschreibung bedarf, um es in möglichst viele verschiedene Commoning-Prozesse gleichartig durch unterschiedliche Personen integrieren zu können, ist die Beschreibung eines integrierten Zusammenschlusses innerhalb der Software optional. Die Beschreibung kann dazu dienen, die eigenen Strukturen und Regeln verständlich zu machen und sollte nur durch die am Zusammenschluss Beteiligten bzw. in Absprache mit ihnen durchgeführt werden können. Auch der Aufwand zur Erzeugung eines bestimmten Resultates muss innerhalb des integrierten Zusammenschlusses neu bestimmt werden. Damit geht einher, dass die Kopplung von Beteiligung und individuellem Vorteil nicht mehr auf rein individueller Ebene stattfindet, sondern auf Ebene des Zusammenschlusses gehoben und von hier auf die daran Beteiligten verteilt wird. Auf Tätigkeitsmuster direkt bezogene Softwarefunktionen, wie die vorsorgende Selbstzuordnung oder die individuelle Angabe von Kontinuität, werden mit deren Auflösung funktionslos . In der Struktur der Software ersetzt der integrierte Zusammenschluss also Tätigkeitsmuster, ähnelt diesen auch oberflächlich, wenngleich es – im Gegensatz dazu – nicht nur ein Resultat sondern auch mehrere Resultate hervorbringen kann. Jeder Zusammenschluss braucht eine Bibliothek von möglichen Resultaten , durch welche es in den Konfigurationsprozess integriert werden kann. Der Bedarf an Mitteln für ein bestimmtes Resultat ist nicht an Tätigkeitsmuster gebunden und muss dementsprechend durch die am Zusammenschluss Beteiligten veränderbar sein. Eine entsprechende optionale Beschreibung, warum bestimmte Mittel benötigt werden, kann dazu beitragen, sich als Zusammenschluss nach außen verständlich zu machen und so eventuell aufkommende Auseinandersetzungen besser lösen zu können und Misstrauen vorzubeugen.

Die Beteiligten an einem Zusammenschluss sind klar definiert – auf Softwareebene dabei nur, insofern sie auch im ununterbrochenen Commoning beteiligt sind, während der Zusammenschluss an sich größer sein könnte. Die Beteiligten an einem neu entstandenen Zusammenschluss könn t en dabei genau die Personen sein, die zuvor die isolierten Tätigkeiten des damit ersetzten Zusammenhanges ausgeführt haben, allerdings muss das nicht der Fall sein. Wieder: Solche Zusammenschlüsse entstehen auf einer Ebene, die für die Software ungreifbar ist. Wie die direkten zwischenmenschlichen Absprachen zwischen den Beteiligten aussehen, wer zusätzlich zu einem Zusammenschluss hinzu kommt und wer Teil des Zusammenhangs der für sich stehenden Tätigkeiten war, sich bei einem Zusammenschluss aber zurückzieht usw., muss der Software übermittelt werden. Dieser Umbruch von den Tätigkeitsmustern zu dem integrierten Zusammenschluss auf Softwareebene und der dafür notwendigen Definition der Beteiligten, braucht dabei die Zustimmung jeder davon betroffenen Person.

Ab dem Moment, in welchem ein Zusammenschluss definiert ist, liegt die Entscheidungsmacht darüber, wer zu diesem Zusammenschluss gehört und wer nicht bzw. wer aufgenommen bzw. ausgeschlossen wird, allein bei den Beteiligten dieses Zusammenschlusses. „Aufnahme und Ausschluss“ von Mitteln liegt dagegen nicht nur in der Entscheidungsmacht der daran Beteiligten: Diese Mittel des integrierten Zusammenschlusses könnten zwar ebenfalls wieder die Mittel sein, welche zuvor den einzelnen Tätigkeiten des Zusammenschlusses zugeordnet waren, allerdings ordnen sich Mittel – im Gegensatz zu Personen – nicht selbst zu und müssen daher auch für diejenigen, die nicht an diesem Zusammenschluss beteiligt sind, weiter für die eigenen Tätigkeiten zuordenbar bleiben. Dem integrierten Zusammenschluss müssen sich daher zwar Mittel frei zuordnen lassen, die Zuordnung muss dabei aber transparent bleiben. Diese Mittel könnten schließlich in die Verantwortung und Organisation des Zusammenschlusses gestellt werden, allerdings nur, wenn diese Funktion durch andere anerkannt wird, welche diese Mittel ebenfalls benötigen und das gleiche Recht zu deren Verwendung haben. Über vermittelnde Regeln kann die Verfügung über die Mittel innerhalb und außerhalb des Zusammenschlusses geklärt werden. Diese Verwendung der Mittel ist ein Grund, weshalb nicht nur die am integrierten Zusammenschluss Beteiligten , sondern auch die von den Tätigkeiten des Zusammenschlusses Betroffenen autorisiert sein müssen, um an Prozessen der Regelerstellung und Abänderung teilhaben zu können. Es braucht daher eine Softwarefunktion, durch die angegeben werden kann, selbst – in irgendeiner Form – von einem bestimmten integrierten Zusammenschluss betroffen zu sein und damit die Autorisierung zur Teilhabe an diesen Prozessen der Re­gelerstellung und -abänderung zu erlangen. In jedem Fall braucht es auch Kommunikationsräume zur schnellen und wenig aufwendigen Konfliktlösung zwischen am Zusammenschluss Beteiligten und nicht am Zusammenschluss Beteiligten, die auf Softwareebene zur Verfügung gestellt werden sollten. Die Überwachung und Planung der konkreten Tätigkeiten und zugeordneten Mittel, die Erstellung und Abänderung von Regeln, die Form und Höhe der Sanktionen, die Zuteilung des Bedürfnisgewichtes sowie die Formen der gemeinschaftlichen Entscheidungsfindung und Konfliktlösung zwischen am integrierten Zusammenschluss Beteiligten sind dabei interne Prozesse desselben. Falls es Personen gibt, welche die Tätigkeiten und den Zustand der Mittel innerhalb des Zusammenschlusses überwachen, sollten auf Softwareebene allerdings definiert sein, wer diese Personen sind. Ein Musterspeicher für Regel- bzw. Sanktionssysteme und Konfliktlösungsmechanismen , die unabhängig von den Tätigkeiten eines integrierten Zusammenschlusses vorgeschlagen werden können, ist denkbar, betrifft aber nicht die Softwarevermittlung selbst.

Alexander: 510

"It is vastly more complex than any other kind of order. It cannot be created by decision. It cannot be designed. It cannot be predicted in a plan. It is the living t estament of hundreds and thousands of people, making their own lives and all their inner forces manifest.“

Die Vermittlungsform einer Gesellschaft nach Bedürfnissen und Fähigkeiten ist unbedingt komplexer als jede bisherige gesellschaftliche Vermittlungsform es war. Diese Komplexität entsteht nicht von selbst, sie muss entwickelt werden und durch diese Entwicklung in den Hintergrund geraten, für eine Welt, die sich einfach erschließen lässt. Wenn die Software diese Funktion als Werkzeug erfüllen kann, dann kann eine gesellschaftliche Ordnung entstehen, die weder planbar noch vorhersehbar ist, aber durch nichts als die Bedürfnisse, Fähigkeiten und Vorstellungen der Beteiligten geformt wird.

Alexander: 511

"And as the whole emerges, we shall see it take that ageless character which gives the timeless way its name. This character is a specific, morphological character, sharp and precise, which must come into being any time a building or a town becomes alive: it is the physical embodiment, in buildings, of the quality without a name."

 

The Kernel of The Way

Alexander: 535

"From what you have read so far, it may seem as though the life of buildings, and the timeless character they have when they are living, can be created simply by the use of pattern languages. If the people have a living language, it seems that what emerges from their acts of building will be alive; it seems as though the life of towns can be created simply by the use of languages. - And yet, we wonder, can it be so simple? Can any theory be so powerful? - These doubts are right. There is a kernel at the center of the timeless way, a central teaching, which I have not described till now. - The essence of this kernel is the fact that we can only make a building live when we are egoless."

Das Beste am softwarevermittelten Commoning ist, dass wir alle unser Ego behalten können. Für Alexander ist dieser Punkt allerdings zentral, da die Anwendung der Mustersprache für ihn nicht nur ein innerer Prozess ist, sondern sogar eine Form der Therapie : Seiner Ansicht nach, sind wir alle befähigt, die Welt lebendig zu gestalten ( „The language, and the processes which stem from it, merely release the fundamental order which is native to us”, 531) , müssen uns aber – um dieses Wissen wieder zu erlangen – von dem bisher Gelernten freimachen („ the builder must let go of all his willful images, and start with a void", 538) und können erst von diesem Zustand aus durch die Anwendung der Mustersprache eine lebendige Welt erschaffen („ At this stage, the buildings life will come directly from your language", 539) . Doch Orte können aus „guten Mustern“ bestehen und doch tot sein ( "one place can have » good « patterns in it, and yet be dead", 541) , sowie andere Orte auch ohne jegliche Muster lebendig sein können (" Another place can be without the patterns which apply to it, and yet still be alive ", 542). Wenn es bisher auch so schien, ging es Alexander nicht um die Mustersprache an sich, sondern die konsequente Anwendung der Muster ist für ihn ein Lernprozess , durch welchen der Mensch (wieder) dazu befähigt wird, die auf ihn wirkenden Spannungen zu erkennen und die Welt mit dem durch die Muster erworbenen Wissen so zu gestalten, dass diese Spannungen aufgelöst werden. " [The language] is the gate", schreibt Alexander, " which leads you to the state of mind, in which you live so close to your own heart that you no longer need a language. - This is the final lesson of the timeless way" (547).

Die Software selbst erzeugt die verschiedenen Möglichkeiten der gesellschaftlichen Kooperation, die zur Auflösung der Spannungen zwischen vermittelten Bedürfnissen und deren Befriedigung dienen können. Sie ist dabei nicht geprägt von Bildern und Konzepten, von denen sie sich erst distanzieren muss. Sie wertet anhand des jeweiligen lokalen Kontextes den ihr bekannten Daten nach aus, welche Tätigkeiten idealerweise dazu beitragen können möglichst viele Spannungen abzubauen. Ihre Grenzen sind dabei gesetzt durch die eingespeisten und gepflegten Meta-Daten der verfügbaren Mittel (Lokalität, Zustand, Menge, Nutzungsbedingungen, etc.) und den durch sie verarbeitbaren Mustern, diese Mittel durch Tätigkeit den Bedürfnissen entsprechend umzuwandeln bzw. anzuwenden . Je mehr dieser Daten der Software zur Verfügung stehen, desto besser können Beteiligte darauf vertrauen, dass Tätigkeiten mit hoher Qualität und hohe m Gewicht dazu beitragen, eine Gesellschaft nach Bedürfnissen und Fähigkeiten herzustellen und zu erhalten. Ob Beteiligte dann diesen Tätigkeiten nachgehen bzw. diese Tätigkeiten selbst als sinnvoll empfinden, liegt immer in ihrem Ermessen. Abhängig allerdings ist all das weiterhin davon, ob eine angemessene Möglichkeit gefunden wird, den allgemeinen Aufwand einer bestimmten Tätigkeit festzustellen.

Wenn Spannungen im softwarevermittelten Commoning auch auf gesellschaftlicher Ebene verlaufen und damit nicht durch Menschen selbst empfunden und entsprechend aufgelöst werden können, kann die Anwendung von Tätigkeitsmustern und damit die mögliche Ausbreitung von Commoning-Strukturen, wie auch bei Alexander, ebenso als ein " gate ", ein Durchgang, betrachtet werden. Indem sich Commoning als gesellschaftliche Re-Produktionsweise etabliert, etabliert sich damit auch seine gesellschaftliche Logik und durch die Normalisierung der Logik zeigt sich die Verrücktheit der heutigen Normalität: Die Abhängigkeit von existenziellen Ängsten als Arbeitsmotivation. Die ewig gleiche Arbeitswoche trotz ständigen technischen Fortschritts. Der ständige Versuch, neue Arbeitsplätze zu schaffen im scheinbar notwendigen Kampf gegen Arbeitslosigkeit. Und wenn es auch nicht das „Wiederbeleben einer Erinnerung“ und auch nicht eine „Rückkehr zur ursprünglichen Gesellschaft“ ist, so ist das ununterbrochene Commoning dennoch zeitlos , indem jede Geste der Freundlichkeit das Allgemeine dieser Gesellschaft in sich trägt. Und zwischen der Vermittlungsform der Software und der rein zwischenmenschlichen Vermittlung gibt es keinen Bruch: Durch die Anwendung der Tätigkeitsmuster in den softwarevermittelten Strukturen kann ein Verständnis der bedürfnisorientierten Re-Produktionsweise nach Commons-Prinzipien verinnerlicht und durch diese Erfahrungen auch außerhalb der softwarevermittelten Strukturen weitergetragen werden.

Alexander: 549

"Almost everybody feels at peace with nature: listening to the ocean waves against the shore, by a still lake, in a field of grass, on a windblown heath. One day, when we have learned the timeless way again, we shall feel the same about our towns, and we shall feel as much at peace in them, as we do today walking by the ocean, or streched out in the long grass of a meadow."

Größter Dank und größte Wertschätzung gilt dem Lehrer lebendiger Ordnung, Christopher Alexander. Doch nicht minderer Dank, nicht mindere Wertschätzung und alle Hoffnung gilt denen, die sich das Projekt zu eigen machen, sich mit Entwicklung, Design, Organisation, Übersetzung und Verbreitung einbringen, die Kritik nicht als Sport üben, sondern zum Zweck der Verbesserung, der Erneuerung, des stetigen Anpassens an neue Möglichkeiten; sowohl technischer Natur als auch, um neue Anwender und Anwenderinnen zu erreichen. Dank, Wertschätzung und Hoffnung gilt auch denen, welche die Grenzen sehen, die dem Commoning gesetzt sind und daran arbeiten, diese Grenzen auszuweiten, zu lockern und zu lösen. Für uns, die eine Gesellschaft erstreben, die sich den Bedürfnissen und Fähigkeiten nach gestaltet, sieht die Zukunft längst nicht mehr rosig aus. Wir können nicht darauf hoffen, dass unsere Zukunft – die Zukunft unseres Begehrens – eintreten wird, wenn wir nicht anfangen abseits bisheriger Traditionen der heute bestimmenden Produktionsweise entgegenzutreten, welche die zerstörerischen Auswirkungen in sich trägt, die wir sowohl sehen als auch spüren können. Weil es auch unsere Welt ist, die damit zerstört wird und weil nichts akzeptiert werden darf, das dieser Welt ihre Schönheit nimmt. Und auch, weil es nicht länger sein kann, dass wir unsere Lebenszeit lang für die Bereicherung anderer arbeiten müssen, nur um unsere Existenz zu rechtfertigen. Denn Commoning bedeutet nicht nur, hinsichtlich der menschlichen Bedürfnisse selbst, sinnvoll tätig zu sein. Es bedeutet nicht nur, die Freiheit von zerstörerischen gesellschaftlichen Mechanismen und die Möglichkeit, mit der Natur so umzugehen, wie wir es als richtig empfinden. In letzter Konsequenz bedeutet Commoning ganz besonders: Endlich und dauerhaft unsere Ruhe haben – vor den Chefs, den Vermietern und dem Arbeitsamt.

Und ich bin jeder Person aus ganzem Herzen dankbar, die sich – in welcher Weise auch immer – an diesem Prozess beteiligt.

 

Anhang

Ein Letztes: Ich habe bisher offen gelassen, warum die Interpretation von „The Timeless Way of Building“ auf das Commoning bzw. eine Software, welche Tätigkeit im gesellschaftlichen Rahmen nach Commons-Prinzipien vermittelt, meiner Ansicht nach sinnvoll funktioniert. Ich will dabei voranstellen, dass es sich mir selbst erst in der näheren Ausarbeitung des Textes vollständig erschlossen hat, wenn es sich auch von Anfang an sinnvoll anfühlte . Das Nachfolgende ist daher eher ein Erklärungsversuch, als eine von Beginn an feststehende Methode. Der Grund, warum ich die Methode überhaupt noch angebe ist rein pragmatisch: Vielleicht habe ich Fehler gemacht. Und falls dem so ist, kann über die Angabe der Methode möglicherweise herausgestellt werden, was ich falsch gedacht habe bzw. kann sie dabei helfen, die Interpretation leichter zu verstehen und gegebenenfalls manches nachzubessern oder zu verändern.

Für mich ist die große Gemeinsamkeit bei Alexander und dem Commoning ein im Zentrum stehender problematischer innerer Zustand, welcher nur durch eine Veränderung der äußeren Welt gelöst werden kann. Diese Veränderung der äußeren Welt, sprich: die Problemlösung, kann durch Alexanders Methode in Einzelteile zerlegt werden. Jedes dieser einzelnen Teile kann für sich stehen und als Muster beschrieben werden. In Bezug auf den jeweiligen Gegenstand kann einem solchen Muster eine bestimmte Qualität zur Problemlösung von allgemeiner Gültigkeit innerhalb eines bestimmten Kontextes zugeschrieben werden. Weiter kann ein solches Muster, unabhängig von seiner Qualität, Teil verschiedener Problemlösungen sein. Und noch weiter und zu Ende gedacht, kann die Lösung sämtlicher wiederkehrender Probleme (im Rahmen des jeweiligen Gegenstandes) durch eine Kombination solcher Muster beschrieben werden. Diese Muster dienen damit einerseits als Wissensspeicher und andererseits auch als Kommunikationsmittel. Und wieder explizit auf das Commoning bezogen, ermöglichen diese beiden Aspekte erst, dass die Organisation der Tätigkeiten zur gemeinsamen Veränderung der Welt auf Augenhöhe funktionieren kann.

Deswegen, ich wiederhole mich, empfinde ich die Software als so grundlegend notwendig um bestehende Herrschaftsverhältnisse auf emanzipatorische Weise überwinden zu können. Weitere sich aus der Struktur heraus ergebende Momente, wie etwa die Bewegungstendenz zu immer weniger, aber hochwertigeren Mustern, welche im Commoning einhergeht mit einer geringer werdenden Zahl insgesamt verwendeter Mittel, sprich: Modularität wie sie auch von der „Open Source Ecology“ angestrebt wird, legen mir nahe, dass die Interpretation sinnvoll war. Der Text unterliegt dabei einer Creative-Commons-Lizenz (CC BY-NC-SA) und darf damit ohne weitere Nachfrage mit Namensnennung verbreitet und verändert werden, so lange der Text bzw. das daraus hervorgehende Werk nicht kommerziell verwendet wird und denselben Bedingungen unterliegt.