Der Ausdehnungsdrang moderner Commons (1/2)

Der Ausdehnungsdrang moderner Commons (1/2)

Transpersonales Commoning zur Weiterentwicklung der Keimformtheorie

von Marcus Meindel. Geschrieben: März bis Oktober 2018

Vorwort

Magie in seiner Reinform liegt im Glauben, es bräuchte nur eine Revolution und plötzlich würden sich Menschen nicht mehr tauschförmig aufeinander beziehen, der Kapitalismus wäre abgeschafft und wir hätten endlich die herrschaftsfreie Gesellschaft, die wir immer wollten. In „Kapitalismus aufheben“1 stellen sich Stefan Meretz und Simon Sutterlütti gegen diesen magischen Moment und schaffen es einen kategorialen Rahmen aufzubauen, mit welchen überhaupt eine gesellschaftliche Struktur auf Basis von Freiwilligkeit und kollektiver Verfügung – völlig ohne den Glauben an das Unerklärliche – denkbar wird. Da ich nichts Vergleichbares kenne, kann ich ihre Leistung hierfür nicht genug würdigen. Der eigene Versuch der Autoren diese Kategorien innerhalb eines Transformationsmodells anzuwenden, gerät allerdings in eine Sackgasse. Die Autoren stellen zwar eine Beziehungsform zur Selbstorganisation heraus, in welcher kein Wert entsteht und sich damit auch keine Verwertungslogik verselbstständigt, schaffen es aber nicht, diese auf einen gesamtgesellschaftlichen Raum zu erweitern. Dieser Text soll als Versuch einer Weiterentwicklung ihrer Theorie dazu beitragen, dieses „Problem der Ausdehnung“ (M/S, S.244) zu beheben. Worum es also geht ist, wie eine Gesellschaft auf Basis von Freiwilligkeit und kollektiver Verfügung hergestellt und erhalten werden kann und das unter besonderer Beachtung der durch die kapitalistische Produktion entstandenen Vorbedingungen. In ihrem Vorwort wünschen Meretz und Sutterlütti sich dabei eine gemeinsame Diskussion außerhalb des Rahmens von Konkurrenz und Exklusion. Dieser Modus ist mir äußerst wichtig und trotzdem muss innerhalb ihrer Keimformtheorie die Problematik mancher ihrer Gedankengänge klar aufgezeigt werden, damit diese vermeintlichen Trugschlüsse auf dem Weg zu einer fortschrittlichen Produktionsweise vermieden werden können. Um sich dieser Produktionsweise anzunähern wird im ersten Kapitel gezeigt, dass die von Meretz und Sutterlütti gewählte Keimform nicht von der Utopie, sondern von dem Bestehenden aus erschlossen wurde, das Bestehende aber selbst in Frage gestellt werden muss. Folgend wird kritisiert, dass die Autoren darauf hoffen, ihre Keimform würde – wie der Wert im Kapitalismus – Transpersonalität als Phänomen hervorbringen, meine aber, dass sie hierfür um eine parallele Funktion erweitert werden muss. In Kapitel 3-5 werden Momente der kapitalistischen Produktionsweise - die drei Phasen der kapitalistischen Produktion, die Situation der Lohnabhängigen und die Bewegungstendenzen des Kapitals – wiederholt, soweit sie in „Kapitalismus aufheben“ nicht angesprochen wurden, meines Erachtens aber für die Transformation von Bedeutung sind. In Kapitel 6 werden die Commons und ihre Struktur neu gedacht, auf deren Basis im siebten Kapitel eine Formel des Commonings aufgestellt wird, die der allgemeinen Formel der kapitalistischen Produktion gegenübergestellt werden kann. In Kapitel 8 wird schließlich geprüft, wann es für eine Lohnabhängige objektiv Sinn ergibt, ihre sinnlich-vitalen und produktiven Bedürfnisse über Lohnarbeit oder Commoning zu befriedigen. Nachfolgend soll begründet werden, warum ich eine Priorisierung bestimmter Bedürfnisse für eine gesellschaftliche Transformation für unerlässlich halte und wie diese aussehen kann, ohne auf eine Geld-ähnliche Form zurückzufallen. In Kapitel 10 werden die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der parallelen Funktionen des interpersonalen und transpersonalen Commonings anhand des Fünfschritts von Klaus Holzkamp herausgestellt. In Kapitel 11 werden schließlich in vier Schritten die Szenarien des Dominanzwechsels von Meretz und Sutterlütti mit der Funktion des transpersonalen Commonings durchgegangen. Es soll dabei gezeigt werden, dass die eigenständige Funktion des transpersonalen Commonings eine mögliche Lösung zum „Problem der Ausdehnung“ ist, ohne, dass die von Meretz und Sutterlütti beschriebene interpersonale Keimform dafür angetastet werden muss.
Relevante Momente der kapitalistischen Produktionsweise, dem von Meretz und Sutterlütti beschriebenen „Commonismus“ und der Keimformtheorie werde ich zwar kurz wiederholen, aber der Text wird wohl ohne Grundlagen darüber äußerst mühsam zu lesen sein. Diese Grundlagen werden hier weitgehend vorausgesetzt, da es sich weder um eine Buchkritik, noch um eine Einführung, sondern um den Versuch einer Weiterentwicklung der bestehenden Theorie handelt. Anmerkung: Nach der Arbeit an der darauf folgenden Softwarekonzept-Reihe und dem Essay „The Timeless Way of Re-Production“ müssten einige wenige Teile des Textes angepasst werden. Durch diese Änderungen würde allerdings der Gedankengang dieser Argumentation – welcher erst zu den entsprechenden Erkenntnissen geführt hat – nicht länger schlüssig sein. Problematische Stellen werden daher mit solchen Anmerkungen wie dieser hier versehen. (29.12.19)

 

1_Ein endgültiger Bruch mit sämtlichen Formen der bestehenden Commons

Die Denkbarkeit einer fortgeschrittenen Gesellschaft klebt am Stand der Produktions- und Kommunikationsmittel. Damit geht einher, dass das Festhalten an einem Gedanken, der einst progressiv war, im Fortschritt der Zeit reaktionär werden kann. So kann Momenten der Burschenschaftsbewegung 1848 ein progressiver Charakter zugefallen sein, wenn auch heute keine Spur mehr davon übrig ist. Genauso war die Vorstellung von Planwirtschaft und Räterepublik einst progressiv, als es noch keine technische Entwicklung gab, die eine allgemeine Kommunikation zwischen den Produzierenden auf Augenhöhe („Peer-Produktion“) ermöglichte. Heute aber werden diese Vorstellungen, in der Bedürfnisse und Fähigkeiten in lokalen Räten an Personen herangetragen werden und diese in höheren Räten versuchen Lösungen zur allgemeinen Bedürfnisbefriedigung zu erarbeiten, durch das Internet und die globale kapitalistische Produktion notwendig reaktionär. Meretz und Sutterlütti beschreiben zurecht, dass dabei der Versuch unternommen wird, Beziehung zwischen konkreten Personen und der Allgemeinheit (transpersonal) in Beziehungen von konkreten Personen zueinander (interpersonal) umzuwandeln, das heißt in den Worten der Autoren, der „Versuch einer Interpersonalisierung transpersonaler Beziehungen“ (M/S, S.172). Statt einer sachlichen Herrschaft, wie es der Kapitalismus ist, wird wieder eine Herrschaft von Personen über Personen eingesetzt und Entscheidungen in den Räten und Gremien haben für die Betroffenen weiterhin einen „fremden Charakter“ (M/S, S.173).

Um das zu umgehen, verzichten Meretz und Sutterlütti in der Definition ihrer Keimform auf jegliche Form der Beziehungen von Personen zu einer abstrakten Allgemeinheit und sehen den Keim einer fortschrittlichen Gesellschaft in Bedingungen, in denen es auf zwischenmenschlicher Ebene Sinn macht, die Bedürfnisse der jeweils anderen in die eigene Tätigkeit mit einzubeziehen. Sprich: „Inklusionsbedingungen auf interpersonaler Ebene“ (M/S, S.219). Zur Rechtfertigung des Ausschlusses transpersonaler Beziehungen wird die Keimform – eigentlich spezifische Beziehung, nach welcher sich eine Gesellschaft umstrukturieren soll -, nur als Stufe bzw. Niveau betrachtet: „Unsere These ist: Wenn Commons auf dem Niveau der Keimform versuchen, den Tausch und damit die Eigentumslogik im Kapitalismus teilweise zu überwinden, dann müssen sie transpersonale Beziehungen interpersonalisieren “ (M/S, S.217). Durch die Einschränkung auf Beziehungen von konkreten Personen zu konkreten Personen und die sie umgebenden Bedingungen, welche das Einbeziehen der Bedürfnisse anderer sinnvoll macht ( Inklusionsbedingungen ), schaffen sie es zwar die Entscheidungsfindungen der Räte und Planwirtschaft über die Köpfe der Produzierenden hinweg zu umgehen, verzichten dafür – innerhalb dieser Stufe – auf eine gesellschaftliche Vernetzung außerhalb des interpersonalen Umfeldes. Scheinbar bauen sie darauf, dass ein gesamtgesellschaftlicher Zusammenhang aus einzelnen Punkten heraus entstehen soll, an denen Menschen „verstärkt Rücksicht auf die Bedürfnisse der anderen [nehmen]“ (M/S, S.218), sie damit in „interpersonalen Zusammenhängen die exkludierende Logik des Eigentums und des Tauschs bewusst [überwinden]“ (M/S, S.219) und sich daraus eine transpersonale Gesellschaftsstruktur ergibt. Die Autoren stehen allerdings dazu, dass sie noch nicht genau wissen, wie diese transpersonalen Strukturen entstehen werden (vgl. M/S, S.224).

Diese einzelnen, isoliert voneinander existierenden Punkte sind die bestehenden Commons und hier treffen die Autoren auch mehrere Unterscheidungen: Zuerst sind da die traditionellen Commons nach Elinor Ostrom, in deren klar definierten Grenzen, unter eigens definierten Regeln und Konfliktlösungen, zwar gemeinsam gearbeitet wird, die Produzierenden aber außerhalb der Commons in Konkurrenz zueinander stehen können (vgl. M/S, S.220). Schließlich zählen Meretz und Sutterlütti Kollektiv-Projekte dazu, u.a. die Solidarische Landwirtschaft, die sich mit „besonderem Fokus auf die interpersonalen Beziehungen“ (ebd.) freiwillig und selbst-organisiert unterschiedlichen Aspekten des Alltagslebens annehmen und dabei meistens „ihren Fokus auf ihre innere Organisation“ (M/S, S.221) legen. Als letzte Commons-Form wird schließlich der „Wissenskommunismus“ (M/S, S.221) als eine in den 40er-Jahren beginnende Entwicklung beschrieben, in der Wissen frei zur Verfügung gestellt wird, damit es geprüft, kopiert, kritisiert und weiterentwickelt“ (ebd.) werden kann. Diese Form der Wissens-Commons „gehen in einen transpersonalen Vermittlungsprozess ein“ (M/S, S.222) und finden damit ihre wesentliche Qualität „in dem Erreichen der gesellschaftlichen Größenordnung“ (ebd.). Wissenskommunismus selbst funktioniert dabei selbstverständlich nur bei unbegrenzt vervielfältigbaren Ressourcen.

Während Meretz und Sutterlütti das Anwachsen des Commonings (Produktion zur Bedürfnisbefriedigung auf Basis von Freiwilligkeit und kollektiver Verfügung) und schließlich seinen Umbruch zur gesellschaftlich-bestimmenden Produktionsweise ( Dominanzwechsel. M/S 223-233) untersuchen, stellen sie noch einmal fest, dass „Commoning als Keimform, bis auf den Wissenskommunismus , auf interpersonaler Ebene auftritt“ (M/S, S.223, Hervorheb. M.M.). In einem Nebensatz abstrahieren sie also von der einzigen Commons-Form mit einer transpersonalen Vermittlung, setzen ihre Perspektive rein auf die interpersonalen Beziehungen und hoffen darauf, dass sich „mit dem Funktionswechsel eine kollektive Inklusion auf Basis von interpersonalen Commoning [bildet]“ (S.224, Hervorheb. M.M.). Weiter: „Mit dem Dominanzwechsel verallgemeinert sich diese zur transpersonalen Inklusion, zur Inklusionsgesellschaft“ (ebd.).

Das verwundert etwas, da Stefan Meretz schon 2012 in seinem Artikel „Die doppelten Commons“ zur Unterscheidung zwischen den traditionellen und modernen Commons auffordert. Er schreibt hier, dass „eine universelle Vernetzbarkeit und damit gesellschaftliche Verallgemeinerbarkeit erst auf Grundlage der neuen Commons möglich [ist].“ Und weiter: „Nun erst ist es möglich, an eine commonsbasierte Aufhebung der Warenproduktion zu denken. Nebenbei gesagt widerspreche ich damit auch Vorstellungen, die von einem gleichsam beliebigen Ausstieg aus dem Kapitalismus oder von einem »Überspringen« der kapitalistischen Entwicklungsphase etwa auf Grundlage der unter feudalen Verhältnissen historisch gewachsenen Commons ausgehen. Erst die kapitalistische Entwicklung ermöglichte die Entstehung und Entfaltung der neuen Commons — technologisch wie auch sozial “ (Meretz: Die doppelten Commons. Hervorheb. M.M.).

Trotzdem bilden Meretz und Sutterlütti ihre Keimform aus einer Reflexion über die Solidarische Landwirtschaft, in welcher die Konsumierenden die Produktion mitbestimmen und die Produzierenden sich nicht an der Marktkonkurrenz messen müssen. Obwohl die Solidarische Landwirtschaft immer noch abhängig von dem Geld und dem Wohlwollen der Konsumenten ist und sie explizit auch sagen, dass „ d ieses Commoning jedoch nur dadurch [funktioniert], dass die Menschen in unmittelbare interpersonale Beziehungen gehen“ (M/S, S.218. Hervorheb. M.M.), wollen sie damit eine „allgemeine Logik“ (ebd.) verdeutlichen und daraus folgt ihre Keimform, aus welcher folgend eine gesellschaftlich allgemeine Struktur durch „ verabredete Außerkraftsetzung der exkludierenden Wirkung des Eigentums“ (M/S, S.223) heranwachsen soll.

Dass die beiden Autoren ihre Keimform aus bestehenden Commons schließen, sehe ich als Ursache, warum sie transpersonales Commoning nicht ausreichend bestimmen können. Aus dem Grund soll der Gedanke, dass Commons lokale, in sich geschlossene und für sich wirtschaftende Gruppen sind, an dieser Stelle fallengelassen werden, um Commons später neu definieren zu können. Weiter meine ich, dass Meretz und Sutterlütti darauf hoffen, Transpersonalität würde aus ihrer Keimform ähnlich entstehen, wie sie sich im Kapitalismus aus dessen Keimform entwickelt, halte das aber, wie ich folgend aufzeigen will, für eine falsche Fährte.

 

2_Keimform und Vermittlung

Die Keimform des kapitalistischen Systems sehen Meretz und Sutterlütti, wie auch Marx („Der erste Blick zeigt das Unzulängliche der einfachen Wertform, dieser Keimform, die erst durch eine Reihe von Metamorphosen zur Preisform heranreift“, MEW23, S.76. Hervorheb. M.M.), im „jeweils besonderen lokalen und [von] sozialen variablen Bedingungen bestimmten Tausch“ (M/S, S.207), aus dem sich der Äquivalententausch „als gesellschaftlich allgemeine Vermittlungsform entwickelt“ (ebd.). Als Äquivalent steckt im Wert eine bestimmte Gesellschaftlichkeit, welche sich übersetzen lässt mit: Voneinander abhängige, unabhängig Produzierende. Voraussetzung für die Entstehung von Wert ist das Privateigentum. Die Dinge, die jemandem gehören, sind für diese Person Gebrauchsgegenstände, gleichgültig ob sie gerade verwendet werden oder nicht. Hat eine andere Person – Freunde und Familie ausgeklammert – ein Interesse an einem dieser Gebrauchsgegenstände und hat die Eigentümerin ein Interesse es zu verkaufen, dann wechseln sie für ihre Eigentümerin den Charakter: Statt sich jetzt auf die Dinge als Gebrauchswerte zu beziehen, erhalten sie eine Wertform, das heißt, die Eigentümerin überlegt, was sie an Geld dafür verlangen kann. Dasselbe Ding hat aus zwei Perspektiven einen jeweils anderen Charakter: Einmal einen Gebrauchswert, einmal einen Tauschwert. Diesen Effekt nennt Marx den Doppelcharakter der Waren. Die Waren sind immer beides, aber sie sind es nie gleichzeitig (vgl. MEW23, S.63).

Die transpersonale Vermittlungsform entsteht im Kapitalismus, indem schon die einfache Wertform , d.h. der variable Tausch, dem einzelnen Ding eine abstrakte Eigenschaft zuschreibt, welche es in ihrer Entwicklung zur Geldform mit anderen Dingen auf rein quantitativer Ebene vergleichbar macht. Hierdurch wird die weltumfassende kapitalistische Organisationsform ermöglicht, aber damit entsteht auch eine Verselbstständigung der Gesellschaft und eine besondere Form der Ideologie. Um eine Gesellschaft bewusst und nach den Bedürfnissen ihrer Mitglieder organisieren zu können, dürfen die Dinge nur ihrer Nützlichkeit zur Bedürfnisbefriedigung nach betrachtet werden. In seinem Kapitel über den Warenfetisch beschreibt Marx den Verein freier Menschen und umreißt hier eine Gesellschaftsordnung, in welcher kein Wert und keine Ware entsteht:

 

„Das Gesamtprodukt des Vereins ist ein gesellschaftliches Produkt. Ein Teil dieses Produkts dient wieder als Produktionsmittel. Er bleibt gesellschaftlich. Aber ein anderer Teil wird als Lebensmittel von den Vereinsgliedern verzehrt. Er muß daher unter sie verteilt werden. Die Art dieser Verteilung wird wechseln mit der besondren Art des gesellschaftlichen Produktionsorganismus selbst und der entsprechenden geschichtlichen Entwicklungshöhe der Produzenten. Nur zur Parallele mit der Warenproduktion setzen wir voraus, der Anteil jedes Produzenten an den Lebensmitteln sei bestimmt durch seine Arbeitszeit. Die Arbeitszeit würde also eine doppelte Rolle spielen. Ihre gesellschaftlich planmäßige Verteilung regelt die richtige Proportion der verschiednen Arbeitsfunktionen zu den verschiednen Bedürfnissen. Andrerseits dient die Arbeitszeit zugleich als Maß des individuellen Anteils des Produzenten an der Gemeinarbeit und daher auch an dem individuell verzehrbaren Teil des Gemeinprodukts. Die gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen zu ihren Arbeiten und ihren Arbeitsprodukten bleiben hier durchsichtig einfach in der Produktion sowohl als in der Distributions.“ (Marx, MEW23, S.93)

 

In der skizzierten Produktionsform entsteht kein Wert, weil die Menschen zusammen arbeiten – das heißt, nicht als unabhängigen Produzenten einander gegenübertreten –, die Produkte unter kollektiver Verfügung stehen („gesellschaftliches Produkt“) und, anstatt zu tauschen, ihre Produkte durch einen allgemein-verständlichen Schlüssel untereinander verteilen. Wie Marx hervorhebt ist der verwendete Schlüssel „Arbeitszeit“ nur beispielhaft zu verstehen. Was er aber damit andeutet ist, dass es einen gemeinsamen Bezugspunkt gibt: Um den Anteil am Gesamtprodukt durch individuelle Arbeitszeit errechnen zu können, muss die sowohl das Gesamtprodukt als auch die Gesamtarbeitszeit bekannt sein.

Über diesen gemeinsamen Bezugspunkt muss geredet werden; ob es das braucht, was das ist. Hierfür müssen wir uns ansehen, wie bei Meretz und Sutterlütti in der Inklusionsgesellschaft vermittelt wird, wenn die Basis dieser Gesellschaft Freiwilligkeit und kollektive Verfügung ist. Im Kapitel „Vermittlung durch Commoning (M/S, S.169- 189) ist dabei auffällig, dass interpersonale und transpersonale Vermittlung stark voneinander getrennt gedacht werden. Die Übergänge sind dabei nur angedeutet und teils widersprechen sich die beiden Formen. Etwas Gemeinsames, wie es im Kapitalismus das allgemeine Äquivalent und im Feudalismus der lokale Herrscher bzw. eine gemeingültige Herrschaftsstruktur ist, wird dabei ausgeschlossen.

Zuerst ist die Keimform „Inklusionsbedingungen auf interpersonaler Ebene“ (M/S, S.219) ganz klar interpersonal gesetzt. Zur Begründung stellen die Autoren eine These auf: „Wenn die Gesellschaft wirklich bewusst nach den Bedürfnissen der Menschen gestaltet werden soll, dann muss das durch konkrete Menschen in konkreten Beziehungen geschehen. Und konkrete Beziehungen können nur unmittelbare , interpersonale sein“ (M/S, S.172. Hervorheb. M.M.). Ein vermittelndes Etwas wird hier also ausgeschlossen. Wenn sie schließlich überlegen, wie ohne äußere Vermittlung vermittelt werden kann und sie dabei auf die Hinweise ( Bedürfnisspuren ) in den Mitteln selbst kommen, welche eine bestimmte Handlungsweise nahelegen, werden sie noch konkreter im Ausschluss eines gemeinsamen Etwas: „Träger der hinweisbasierten Koordination sind die materiellen, symbolischen und sozialen Mittel, die wir schaffen und erhalten. Sie sind nicht getrennt von der Vermittlung, sondern ein Teil von ihr “ (M/S, S.177. Hervorheb. M.M.) Demzufolge wird auch die Selbstzuordnung zu den Tätigkeiten weiter lokal gedacht: „Grundlage der Selbstzuordnung sind lokale Informationen […]. Kommuniziert beispielsweise das lokale Müllentsorgungs-Commons einen Bedarf nach weiteren Beitragenden, kann ich mich hier zuordnen“ (M/S, S.178, Hervorheb. M.M.).

Transpersonale Vermittlungen werden weit weniger konkret angesprochen, was in der Hinsicht Sinn ergibt, da die Autoren ja in ihrer Keimformtheorie genau in der Ausbildung des Transpersonalen steckenbleiben. Soweit wird aber gesagt, dass die transpersonale Vermittlung durch qualitativ verschiedenartige Informationen geschieht ( Bandbreite , M/S, S.179). Sie grenzen sich damit von der rein quantitativen Vermittlung im Kapitalismus ab, die nur den abstrakten Wert bzw. seine Erscheinung als Preis kennt. Um die notwendige Bandbreite zu gewährleisten kann ihrer Meinung nach „das Internet einen wichtigen Beitrag leisten“ (ebd.). In diesem Kontext wird auch Selbstzuordnung nicht mehr nur lokal gedacht: „Die commonistisch-stigmergische inklusive Bedürfniskoordination muss auf Basis von qualitativen, reichhaltigen Informationen geschehen. Globale, offene Informationen erlauben es den Einzelnen, dort tätig zu werden, wo Bedürfnisse besser als anderswo befriedigt werden können. Reichhaltige Signale erlauben eine komplexe Bedürfnisvermittlung“ (M/S, S.180). Spätestens die Voraussetzung für das von Meretz aufgestellte stigmergische Gesetz (M/S, S.181) , verlässt schließlich die lokale Ebene und die unmittelbaren konkreten Beziehungen: „Gibt es ausreichend Menschen und Commons, so wird sich für jede Aufgabe, die getan werden muss, auch eine Person oder ein Commons finden“ (ebd.).

Der Übergang wird vom Interpersonalen aus zum Transpersonalen gedacht. Die ersten Momente des Transpersonalen sehen sie dabei wieder in den Mitteln selbst: „Eine Inklusionslogik wirkt nicht abstrakt, sondern schreibt sich in die materiellen, symbolischen und sozialen Mittel und somit in die Bedingungen unseres Lebens ein. Das bedeutet auch, dass die Einzelnen nicht die Bedürfnisse aller anderen ständig in einem bewussten Prozess im Blick haben und inkludieren müssen – das wäre in transpersonalen Verbindungen auch gar nicht möglich“ (M/S, S.171). Aber nicht nur die Mittel, sondern auch die Strukturen sollen bei der Inklusion helfen: „Die Strukturen einer freiwilligen und kollektiv-verfügenden gesellschaftlichen Kooperation erleichtern uns nicht nur die Inklusion anderer Menschen, sondern legen sie uns auch nahe“ (M/S, S.172). Aus welcher Ebene entstehen die Strukturen und wie werden die Mittel mit den zu-befriedigenden-Bedürfnissen beschrieben? „Selbstorganisation muss auf interpersonaler wie auf transpersonaler Ebene verwirklicht sein. Auf transpersonaler Ebene ist sie jedoch keine bewusste Zwecksetzung eines weltweiten Plenums, Zentralplangremiums oder Weltrats, sondern sie ist das emergente, also sich ergebende Phänomen der interpersonalen Selbstorganisation und ihrer Vermittlung“ (M/S, S.175, Hervorheb. M.M.).

Warum soll die transpersonale Ebene keine bewusste Selbstorganisation sein, sondern sich als Phänomen ergeben? Die Antwort findet sich in einer These zu Meretz und Sutterlüttis Vorstellung einer institutionellen Allgemeinheit: „Im Commonismus wird es wohl keine zentrale Institution geben, welche Bedürfnisse vermittelt, Infrastrukturen bereitstellt oder Selbstorganisation ermöglicht“ (M/S, S.181). Wird weiterverfolgt, warum es wohl keine zentrale Institution geben soll, zeigt sich, dass Meretz und Sutterlütti unter einer Institution – ebenso wie jeder anderen äußeren Allgemeinheit – immer ein handelndes Subjekt verstehen, in welcher einzelne Menschen die Macht haben, allgemeingültige Entscheidungen zu treffen (etwa: „Eine Institution der getrennten Allgemeinheit muss ihre Entscheidungen für allgemein richtig erachten“ [M/S, S.186] oder „die Institution [kann] niemanden zur Tätigkeit zwingen“ [M/S, S.187], etc.) Auf dieser Basis erteilen sie schließlich einer „allgemeinen Institution“ (ebd.) und ebenso einer „Zentralität der gesellschaftlichen Organisation“ (ebd.) eine Absage. Für sie stellt sich „Allgemeinheit nicht in einer getrennten Institution her, sondern ist das Produkt vieler dezentraler Entscheidungen und Handlungen oder, was das gleiche ist: das Produkt der Entscheidungen polyzentraler Institutionen und der Vielheit der Commons“ (ebd.).

Die Entscheidung gegen eine gemeinsame Instanz fällt also nur aus dem Grund, weil Meretz und Sutterlütti diese immer als personelle Institution denken und dabei immer als getrennte Einrichtung gegenüber anderen. Um das zu vermeiden, nehmen sie in Kauf, dass die transpersonale Ebene eben keine bewusste Selbstorganisation sein kann. Das können sie allerdings nur in Kauf nehmen, weil sie auf ein Phänomen hoffen, durch welches „Inklusionsbedingungen – wie im Kapitalismus die Exklusionsbedingungen – konkret im Alltagshandeln der Menschen durch die Mittel hindurch [wirken]“ (M/S, S.171). Meiner Ansicht nach überschätzen hier die Autoren, wie die Logik der kapitalistischen Gesellschaft sich als Handlungsaufforderungen in die Mittel schreibt (vgl. M/S, S.169) und unterschätzen die durch den Wert entstehende Organisationsmöglichkeit im Kapitalismus, in dem jedes Ding quantisiert und als bestimmte Zahlengröße miteinander vergleichbar wird. Das allgemeine Äquivalent ermöglicht erst diese spezifische transpersonale Vermittlung. Es entsteht durch die Getrenntheit der Dinge als Privateigentum, durch ihre Kopplung an eine Person oder Personengruppe: „Die Waren können nicht selbst zu Markte gehn und sich nicht selbst austauschen“ (MEW23, S.99). Bei kollektiver Verfügung dagegen entsteht nichts Wertähnliches und darf nicht entstehen: Durch den abstrakten Charakter im Kapitalismus entsteht eine Ideologie, in welcher die gesellschaftliche Organisation als Ganzes grundlegend falsch begriffen wird, dieser Trugschluss allerdings Teil der Normalität ist.

Wenn es nicht abstrakt sein darf und trotzdem eine transpersonale Vermittlung hervorbringen soll, dann muss es konstruiert werden. Was also wissen wir bisher über dieses Gemeinsame? Dieses Gemeinsame soll Selbstorganisation zur Bedürfnisbefriedigung ermöglichen, wenn die Befriedigung von Bedürfnissen innerhalb lokaler, der jeweiligen Person bekannten, Strukturen nicht möglich ist. Diese zu befriedigenden Bedürfnisse müssen daher allgemein einsehbar werden. Innerhalb der Vermittlungsform dürfen durch einzelne Personen keine allgemeingültigen Entscheidungen getroffen werden. Ebenfalls darf die Vermittlungsform kein Potential haben, sich gegenüber der Menschen selbst zu verselbstständigen. Sie muss global und transparent sein. Sie muss eine allgemeingültige Zwecksetzung der Produktions- und Lebensmittel, sowie eine Diskussion darüber, ermöglichen. Die Vermittlungsform muss daher zentral sein; dasselbe Ding darf nicht zur selben Zeit unterschiedliche Bestimmungen haben. Kurz gesagt wird eine zentrale Instanz zur Selbstorganisation und zur Zwecksetzung gesellschaftlicher Mittel benötigt.

 

3_Die Phasen der kapitalistischen Produktion

Wollen wir über Produktion nach Bedürfnisbefriedigung und wie es sich in der Gesellschaft etablieren kann nachdenken, dürfen wir zu keiner Zeit den Markt und den Kapitalismus ausblenden. Wenn Christian Siefkes in seinem Artikel „Das Geld, eine historische Anomalie?“ auch als gesellschaftlich Gemeinsames auf dem allgemeinen Äquivalent beharrt, hat er mit diesem Artikel ausreichend aufgezeigt, dass Tausch in vor-kapitalistischen Gesellschaften immer eine Rolle gespielt hat, ohne, dass dieser sich verselbstständigte. Es kann auch nicht das Ziel sein den Tausch komplett abzuschaffen oder gar zu verbieten. So lange Privateigentum noch existiert und der Tausch als Form der sozialen Interaktion verboten wird, dann bräuchte es ein totalitäres Regime. Sich zur Sicherung der eigenen Existenz tauschförmig aufeinander zu beziehen, muss daher subjektiv seinen Sinn verlieren. Der Markt muss von seiner dominanten Rolle innerhalb der Gesellschaft verdrängt werden, was nicht bedeutet, dass er nicht mehr existieren darf. Das ist der erste Grund, warum wir uns noch einmal näher mit der kapitalistischen Produktionsweise beschäftigen müssen. Der zweite Grund ist, dass fortschrittliches Commoning, und damit auch diese zentrale Instanz, aus dem Kapitalismus herausführen soll, erst durch den Kapitalismus sowohl technisch als auch sozial überhaupt ermöglicht wurde.

Im ersten Teil meiner Broschüre „Das Kapital und die Commons“ habe ich mich ausführlicher mit der kapitalistischen Produktionsweise beschäftigt und wie sie aus der Keimform Wert heraus entwächst. Der Prozess, in dessen Mittelpunkt das allgemeine Äquivalent Geld steht, kann hier selbstverständlich nur umrissen werden. Kapital lässt sich dabei knapp als die zeitliche Bewegung von Geld zu mehr Geld fassen. Die Formel des Kapitals dafür lautet „ Geld – Ware – mehr Geld “, kurz G – W – G‘ , wobei G < G‘ . Produktionskapital nutzt für diese Bewegung von einer bestimmten Menge des allgemeinen Äquivalentes Geld zu einer größeren Menge davon die menschliche Fähigkeit zu arbeiten in ihrer Form als Ware, der Ware Arbeitskraft. Der Mensch, der seinen Körper stundenweise als Ware verkauft hat, wird als Variable in diesem Prozess eingeordnet und muss richtig angewendet werden, damit das Geld sich auch wirklich vermehrt. Hierfür werden Arbeitskraft und private Produktionsmittel im Produktionsprozess so miteinander verbunden, dass am Ende einer Produktionsperiode ein höherer Wert geschaffen wird, als die Produktion selbst gekostet hat. In näherer Betrachtung durchläuft das Produktionskapital drei Phasen: Geldkapital, produktives Kapital und Warenkapital. (vgl. MEW24, erste Kapitel)

  1. Im ersten Schritt ist das Kapital Geldkapital . Der Kapitalist benutzt eine Geldmenge ( G ) und investiert sie in private Produktionsmittel ( p Pm ) und in Arbeitskraft ( Ak ), welche ihm auf dem Markt ebenfalls als Ware erscheint. So treten sich Käuferin und Verkäuferin der Arbeitskraft zwar als gleichgestellte Bürgerinnen gegenüber, wobei die Käuferin der Arbeitskraft, sprich Kapitalistin, zugleich Eigentümerin der Produktionsmittel ist.

  2. Nachdem das Kapital Geldkapital war, wird es zum produktive n Kapital . In der Produktion vergeht Zeit ( …P… ), während die Kapitalistin die Lohnarbeiter ihren Gebrauchswert nach verwendet, diese also an den Produktionsmitteln neue Waren erzeugen lässt.

  3. Nachdem das Kapital produktives Kapital war, wird es zum Warenkapita l . Für eine erfolgreiche Produktions müssen die neu produzierten Waren ( W ‘) dabei am Markt mehr Geld ( G ‘) einbringen, als die Kapitalistin für Produktionsmittel und Arbeitskraft als Ware gezahlt hat ( G bzw. W ). Eigentümerin der neu hergestellten Ware ist die Kapitalistin, da sie im Produktionsprozess auch Eigentümerin der Produktionsmittel und der Arbeitskraft war. Die Differenz zwischen G und G ‘ ist der Mehrwert ( Mw ) der Kapitalistin.

Damit die kapitalistische Produktionsweise gesellschaftlich bestimmend werden konnte, mussten die für die Reproduktion notwendigen Dinge den Lohnarbeitern und Kapitalisten bereits in der Warenform, d.h. für Geld käuflich, gegenübergetreten. Die Bedingung der kapitalistischen Warenproduktion ist somit das Vorhandensein der Warenproduktion überhaupt. Ein einzelner Produktionskreislauf ist immer davon abhängig, dass andere Unternehmen existieren, die sowohl die Produktionsmittel herstellen, sowie die Konsumtionsmittel für die Lohnarbeiter und Kapitalisten, welche sie während des Produktionsprozesses verbrauchen.

Zweimal werden dabei die Dinge innerhalb eines einzelnen Produktionsprozess zu Werten: Zum ersten Mal vor der Produktion für die Privateigentümer der Waren, wenn die Kapitalistin sie kaufen möchte und zum zweiten Mal nach der Produktion für die Kapitalistin, wenn jemand anderes ein Interesse am Gebrauchswert der Produkte hat. Durch den Kauf taucht eine einzelne kapitalistische Produktion so aus der Wertsphäre auf, spannt einen Rahmen der abstrakten Arbeit , in dem Lohnarbeiter kooperativ zum gemeinsamen Zweck der Warenproduktion tätig sind, und taucht mit dem Verkauf der Waren wieder in die Wertsphäre ab. Innerhalb dieses Rahmens, d.h. innerhalb eines Unternehmens selbst, wird außerhalb der Wertsphäre kooperiert, wenn der Zweck auch nicht die Bedürfnisbefriedigung, sondern die Erschaffung eines Mehrwertes, sprich Profits, für eine nicht in diesem Rahmen gefassten Person bzw. Personengruppe ist.

 

4_Situation der Lohnabhängigen

Um die Transformation des kapitalistischen Systems durch Commoning denken zu können, brauchen wir den Begriff der Klasse. Auf Klassen wird in „Kapitalismus aufheben“ kaum eingegangen und es ist verständlich in dem Sinne, dass im traditionellen Arbeiterbewegungsmarxismus diesen zu viel Aufmerksamkeit gegeben wurde. Besonders die Gruppe Krisis hat das mit ihrem Grundlagentext „Der Klassenkampf-Fetisch“ herausgearbeitet: „Die Warenform und der in ihren produktiven Kern eingeschlossene Fetischismus sind die wirklichen Wesenskategorien des Kapitalverhältnisses, Klassen und Klassenkampf hingegen die Oberflächenerscheinungen dieses Wesens. […] Der herkömmliche „Klassenkampf“ beinhaltet also nicht das Durchschauen des Fetischismus und die Befreiung davon, sondern er ist im Gegenteil die Bewegungsform des Fetischismus selbst, die wiederum identisch ist mit der Selbstbewegung des Kapitals; denn nur als Verwertung des Werts kann der Warenfetisch zur gesellschaftlichen Totalität aufsteigen.“ Aber die Beobachtung, dass Kapitalismus keine Klassenherrschaft ist, bedeutet nicht, dass die Klassen darin keine Rolle spielen würden. Wenn Meretz und Sutterlütti daher schreiben, „der Kapitalismus basiert auf einem Arbeits- oder Leistungsprinzip: Ich erhalte nur Anteil am gesellschaftlichen Reichtum, wenn ich etwas leiste“ (M/S, S.37.), dann ist das in gewisser Weise und mit einem breit aufgestellten Leistungsbegriff nicht falsch, aber von absoluter Bedeutung wäre hier noch, inwiefern Arbeit bzw. Leistung mit dem Anteil am gesellschaftlichen Reichtum zusammenhängt. Streng nach Marx sind dabei die einfachen Momente eines Arbeitsprozesses, unabhängig von jeder Gesellschaftsform, die zur Erzeugung von Gebrauchswerten (vgl. MEW23, S.192) „ zweckmäßige Tätigkeit […] ihr Gegenstand und ihr Mittel. “ (MEW23, S. 193). Im reinen kapitalistischen Produktionsprozess wird dabei Arbeit nur durch Lohnarbeiter durchgeführt, während Kapitalisten die Gesellschaft der Tausch- und Verwertungslogik nach organisieren und die Ausbeutung der Lohnarbeit durch Mehrarbeit ihre Lebensgrundlage ist. Die Vorstellung einer Leistungsgesellschaft, in der es ein – nach alltäglicher Auffassung und nicht nach Tauschlogik definiertes - „faires“ Verhältnis von Leistung und Anteil am gesellschaftlichen Reichtum gibt, ist eine zutiefst bürgerliche Ideologie. Das bedeutet nicht, dass Unternehmer und Investoren nichts tun würden, nur steht das, was sie dafür bekommen, in keinem Verhältnis zu einem normalen Arbeitslohn.

Warum interessiert uns das? Weil klar sein muss, dass Lohnarbeit immer Mehrarbeit mit einschließt. Kapital ist eine Organisationsform von Menschen. Die Ausbeutung mag aus mancher Perspektive nur ein „weiteres Moment der Exklusion“ (M/S, S.37) sein, aber die Auswirkungen sind enorm. Menschen im Zustand der Lohnabhängigkeit können ihre eine Ware, die Arbeitskraft, nicht über Monate hinweg einlagern und auf die passende Käuferin warten, sondern müssen sie zu notfalls miserablen Bedingungen verkaufen. Sie werden so in Unternehmensstrukturen eingegliedert, welche aus der Verwertungslogik heraus entstehen, das heißt zur Organisation von Arbeitskräften als Variable zur Geldvermehrung. „Der Wert der Arbeitskraft, gleich dem Wert jeder anderen Ware, ist bestimmt durch die zur Produktion, also auch Reproduktion, dieses spezifischen Artikels notwendige Arbeitszeit“ (MEW23, S.184). Durch die Wechselwirkung zwischen Arbeitern und Arbeitslosen ist dieser Wert der Arbeitskraft tendenziell die Höhe der anfallenden Kosten, die eine Lohnarbeiterin für ihre Reproduktion und die ihrer Nachkommen im Produktionszeitrum benötigt. Der Arbeitstag ist dabei tendenziell so lange, dass die Lohnarbeiterin gerade noch genügend Zeit für ihre Reproduktionstätigkeiten und Erholung findet. Egal, wie fortschrittlich die Produktionsmittel sind, die Arbeitswoche verändert sich für die Lohnabhängigen kaum bis niemals; sie sind vom gesellschaftlichen Fortschritt entkoppelt (vgl. etwa MEW23, S.666-670).

Deutlich wird es in einer Aussage von Robert Owen, die Friedrich Engels in „Der Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft“ (MEW19) zitiert. Owen, der sich zum Eigentümer einer Baumwollspinnerei hochgearbeitet hat und später versuchen wird eine kommunistische Kolonie in Amerika zu gründen, geht dabei folgendem Gedanken nach: „Und doch produzierte der arbeitende Teil dieser 2.500 Menschen ebensoviel wirklichen Reichtum für die Gesellschaft, wie kaum ein halbes Jahrhundert vorher eine Bevölkerung von 600.000 erzeugen konnte. Ich frug mich: Was wird aus der Differenz zwischen dem von 2.500 Personen verzehrten Reichtum und demjenigen, den die 600.000 hätten verzehren müssen?“ (MEW19, S.198). Das war vor etwa 200 Jahren. Heute ist eine 40-Stunden-Woche so normal, dass wir nicht im geringsten begreifen können, wie wenig Arbeit eigentlich notwendig wäre, um unsere Lebensbedingungen in einer auf Selbstorganisation beruhenden Gesellschaft herzustellen. Sich im Rahmen einer niemals weniger werdenden Arbeitswoche zu bewegen ist die Situation einer Klasse, nicht die einer Gesellschaft. Ob sich die Kapitalisten ihrer Rolle bewusst sind, ob sie den sachlichen Zwängen gerne oder nicht nachgehen, spielt für die Situation der Lohnabhängigen keine Rolle.

 

5_Ausdehnung und Aufhebung der kapitalistischen Produktion

Die Kraft zur Gesellschaftsgestaltung erhält die kapitalistische Produktionsweise dabei aus dem Zwang zur ständigen Lohnarbeit zu vorgegebenen Bedingungen auf Seite der Lohnabhängigen. Da jeder erfolgreiche Produktionsprozess mit einer größeren Geldmenge aufhören muss, als mit der er angefangen hat, kann und darf eine Produktion niemals stillstehen und muss gegenüber der Konkurrenz immer effektiver werden, um zu bestehen. Diese Effizienzsteigerung bedeutet tendenziell – es müssen nicht immer alle Momente zutreffen -, eine Verlängerung des Arbeitstages, einen erhöhten Zeitdruck, monotonere Tätigkeiten, geringere Löhne bei Neueinstellungen oder auch schlicht den Verlust des Arbeitsplatzes wegen eines moderneren Produktionsmittels. Ist die kapitalistische Produktionsweise einmal gesellschaftlich etabliert kann die Warenproduktion durch Selbstarbeit oder der reinen Handel mit Überschüssen nicht mehr mit den immer billigeren Preisen der kapitalistischen Unternehmen mithalten. Kapital drückt den Wert eines jeden Produktes herab und bemächtigt sich schließlich seiner Umgebung, welche dieser Verbilligung nicht standhalten kann. Während der Kapitalismus so althergebrachte Grenzen überschreitet, baut er neue auf. Besondere Bedeutung im Transformationsprozess haben hierbei die Trennungen Arbeit/Freizeit, Produktion/Reproduktion und Ökonomie/Politik (vgl. M/S, S.38).

In seinem Kapitel über die Tendenzen der ursprünglichen Akkumulation beschreibt Marx sehr farbig, wie die kapitalistische Produktionsweise in eine neue Qualität übergeht: „Das Kapitalmonopol wird zur Fessel der Produktionsweise, die mit und unter ihm aufgeblüht ist. Die Zentralisation der Produktionsmittel und die Vergesellschaftung der Arbeit erreichen einen Punkt, wo sie unverträglich werden mit ihrer kapitalistischen Hülle. Sie wird gesprengt. Die Stunde des kapitalistischen Privateigentums schlägt. Die Enteigner werden enteignet .“ (MEW23, S.791) Kurz darauf stellt er die Errungenschaften der kapitalistischen Ära dar, welche diesen Prozess möglich machen: Die Kooperation , der Gemeinbesitz der Erde und die durch die Arbeit selbst produzierten Produktionsmittel (ebd.).

Das Kapital ist keine Bibel und nicht jeder Gedanke zur Transformation muss mit dem konform sein, was Marx sich gedacht hat. Aber in diesem Zusammenhang interpretiert lassen sich daraus drei Bedingungen herauslesen, an denen eine herrschaftsfreie Gesellschaft anknüpfen kann: 1. Kooperation wird heute generell durch Kapitalisten in gegeneinander-stehenden Strukturen organisiert, kann aber zukünftig im Rahmen einer Peer-Produktion durch die Produzierenden auf Augenhöhe geschehen. 2. Gemeinbesitz der Erde entsteht aus der zunehmenden Erschließung der Dinge als privates Eigentum und fortlaufend der Zentralisation der Zugriffsmacht darauf in immer weniger Händen, die einer immer größeren Zahl an nahezu Eigentumslosen gegenüber steht. 3. Die durch die Arbeit selbst produzierten Produktionsmittel helfen die Dauer der notwendigen Arbeit immer weiter zu reduzieren, auch wenn es im Kapitalismus, in welchem Arbeitskraft unabhängig davon maximal verwertet werden muss, kaum spürbar ist. Da jedes Unternehmen bzw. jeder Konzern in Konkurrenz zueinander steht, müssen sie ständig versuchen effizienter zu produzieren als die jeweils anderen und schaffen das nur durch immer fortgeschrittenere Produktionsmittel.

Die „ Enteignung der Enteigner“ : Mit den Enteignern sind selbstverständlich die Kapitalisten gemeint, welche durch die alltägliche Enteignung der Produzierenden vom Wert ihrer Arbeit leben und in deren Händen sich das Privateigentum zentralisiert. Eine gängige Interpretation wäre die Überführung der Werte in die Hände der Lohnabhängigen. Der Wert in den Händen von wem-auch-immer, bzw. sogar der Wert selbst, ist aber das grundlegende Problem von Macht und Herrschaft in einer vom Markt bestimmten Gesellschaft. Würde allerdings nur versucht werden diese sachliche Herrschaft in irgendeiner Weise abzuschaffen, wäre damit noch keine Herrschaftsfreiheit erreicht: „Jedes Individuum besitzt die gesellschaftliche Macht unter der Form einer Sache. Raubt der Sache diese gesellschaftliche Macht, und ihr müsst sie Personen über die Personen geben“ (MEW42, S.91). Die Dinge (Produktions- und Lebensmittel) dürfen daher nicht einfach nur „frei“ vom Wertcharakter sein – so könnten sie wieder als Privateigentum erschlossen bzw. Menschen auf andere Weise von ihnen ausgeschlossen werden -, sondern müssen in eine Struktur eingeordnet werden, in welcher sie exklusiv für die Verwendung zur Befriedigung von in der Gesellschaft vorhandenen Bedürfnissen bestimmt sind. Die Enteignung findet zwar für die Eigentümer auf Wertebene real statt, aber bedeutet gleichzeitig die Überführung des enteigneten Dinges in eine Gesellschaftsform, in der sich niemand mehr als Eigentümer darauf beziehen kann. Ein Wert entsteht hier nicht mehr, da die Dinge unter kollektiver Verfügung stehen, es also bei den überführten Dingen keine Getrenntheit im Sinne des privaten Eigentums mehr gibt. Das Haus verliert in dieser neuen Struktur also seinen Wertcharakter und damit seinen Verwendungszweck zur Verwertung (Geldvermehrung), erhält dafür den Verwendungszweck der Bedürfnisbefriedigung .

6_Die Commons-Struktur

„Für uns ist Utopie zentral eine soziale Utopie, eine Utopie der Beziehungen , keine technische Utopie […]. Unsere menschliche Potenz liegt sicherlich auch in der Herstellung von technischen Mitteln, doch noch viel beeindruckender sind die menschlichen Möglichkeiten, ihre sozialen Mittel, ihre Beziehungen, ihre Vermittlung, ihre Organisation zu gestalten.“ (M/S, S.112)

Wenn auch die Potenz des Menschen in der Gestaltung seiner Beziehungen liegt, bleibt das jeweils eigene Bewusstsein immer eingeschränkt: Wir können nichts wissen, was wir nicht zuvor auf irgendeine Weise erfahren haben. Da sich komplexe Arbeitsstrukturen nicht von selbst erschließen lassen, die Gesellschaft aber nicht von einer höheren Institution aus organisiert werden soll, müssen die Produktions- und Verteilungsstrukturen durch technische Mittel durchsichtig und beeinflussbar gemacht werden. Es geht folgend nicht um eine technische Utopie – die Hoffnung etwa, im Verlauf des Kapitalismus würde auf magische Weise der Punkt kommen, an dem jede Arbeit durch Maschinen getätigt wird und Menschen einander nicht mehr ausbeuten müssen – sondern um die Anwendung der bestehenden Technik für die Utopie, damit die „neue erfahrbare Qualität der gesellschaftlichen Aufgehobenheit und Abgesichertheit“ (M/S, S.112) aus einer neuen Produktionsweise hervorgehen kann.

Transpersonales Commoning soll daher neu gedacht werden, wodurch sich allerdings der Boden des interpersonalen Commonings grundlegend ändert. Und wenn sich auch dieser Boden verändert, werden die auf dieser Ebene von Meretz und Sutterlütti beschriebenen Strukturen nicht in Frage gestellt. Da kollektive Verfügung nichts Wert-ähnliches hervorbringt, das aus sich heraus transpersonal wirken kann, wird ein Rahmen konstruiert, in welchem Selbstorganisation stattfindet und mit der interpersonalen Ebene den gesamtgesellschaftlichen Raum im Sinne einer Inklusionslogik ausfüllen kann. Die Instanz der transpersonalen Vermittlung muss dabei nicht nur Selbstorganisation ermöglichen, sondern über sie müssen auch die Dinge den Verwendungszweck zur Befriedigung gesellschaftlicher Bedürfnisse erhalten, welcher der Werteigenschaft und und ihrer Verwertungslogik entgegen steht.

Was kann also als zentrale Instanz zur Selbstorganisation und Zwecksetzung gesellschaftlicher Mittel dienen? In seiner ganzen Trivialität: Ein Programm. Was heute so banal erscheint, dass es kaum ausgesprochen werden will, ist eine gänzlich neue Banalität, eine, die erst seit wenigen Jahren in einer abertausende Jahre umfassenden Menschheitsgeschichte überhaupt erfahrbar ist. Das Bewusstsein klebt am Stand der Produktions- und Kommunikationsmittel. Was einst fortschrittlich war, ist heute rückständig. Was heute Alltag ist, kann etwas sein, auf das Millionen Menschen warteten, die sich nach einer ausbeutungsfreien Gesellschaft gesehnt haben. Die globale Vernetzung der Produzierenden über das Internet, das Potential Produktions- und Lebensmittel mit ihren Meta-Daten von Standort, Zustand bis zur Verfügbarkeit in Datenbanken abzuspeichern und weltweit abrufen zu können, kann der Schlüssel zu einer klassenlosen Gesellschaft sein. Zumindest für den Augenblick, denn auch die hier angedachte Struktur muss keine langfristige Lösung sein, liegt aber heute zumindest im Bereich des Denkbaren. Um hier noch einmal das Marx-Zitat zum Verein freier Menschen zu bemühen: " Die Art dieser Verteilung wird wechseln mit der besondren Art des gesellschaftlichen Produktionsorganismus selbst und der entsprechenden geschichtlichen Entwicklungshöhe der Produzenten. " (MEW23, S.93)

Anmerkung (29.12.19): Nach der näheren Ausarbeitung des Softwarekonzeptes durch den anschließenden Essay „The Timeless Way of Re-Production“ hat sich die nachfolgende Definition der Begriffe „Commons“ und „Commoning“ verändert, wobei die hier verwendeten Begriffe im Rahmen des Textes schlüssig bleiben. Genauso hat sich in der Software-Ausarbeitung die Struktur dieser Software zu der hier Beschriebenen teils erheblich verändert (etwa: keine „Bildung virtueller Commons“ etc.). Die Funktion der Software ihrem Prinzip nach bleibt allerdings gleich, weswegen an dieser Stelle auch keine Änderungen vorgenommen wurden.

Folgend bezeichne ich die technische Vermittlungsform mit der Gesamtheit der durch das Programm entstandenen Verbindungen zwischen den Produzierenden und den gesellschaftlichen Produktionsmitteln als Software für transpersonales Commoning . Falls die eigenen Bedürfnisse nicht innerhalb interpersonaler Strukturen befriedigt werden können, können sie in das Programm eingespeist und durch allgemein-andere ausgelesen werden. Wie auch auf der rein interpersonalen Ebene wird die Befriedigung (virtuell) anstehender Bedürfnisse als Commoning bezeichnet (vgl. M/S, S.156). Grundvoraussetzung für transpersonal vermitteltes Commoning ist die Bildung virtueller Commons durch Produzierende, welche sich für eine bestimmte Bedürfnisbefriedigung virtuell zusammenfinden können oder sich dafür bereits lokal zusammengefunden haben. Indem die für Commoning verwendbaren gesellschaftlichen Produktionsmittel samt ihren Meta-Daten im Netzwerk erfasst sind, kann dieses virtuelle Commons die Verfügbarkeit der für das einzelne Commoning notwendigen gesellschaftlichen Produktionsmittel prüfen. Sind diese nicht verfügbar und kann der Fehlstand auch nicht durch private Produktionsmittel ersetzt werden, können die am Commoning-Prozess Beteiligten einen Bedarf nach dieser bestimmten Art von Produktionsmittel einspeisen. Sind dagegen sämtliche dafür notwendigen Produktionsmittel verfügbar, können sie für die Dauer des Commonings an ihre Gruppe gekoppelt werden. Spätestens mit Beginn der konkreten Tätigkeit erreicht die Gruppe eine interpersonale Ebene, in der, wie bereits im virtuellen Zusammenhang, Inklusionsbedingungen herrschen. Die Gesamtheit von tätigen Personen und verwendeten Produktionsmittel zur Befriedigung gesellschaftlicher Bedürfnisse wird schließlich als Commons bezeichnet.

Zur Veranschaulichung und parallel zum Beispiel der Solidarischen Landwirtschaft: Ein Acker, ob genutzt oder ungenutzt, steht als gesellschaftliches Produktionsmittel der Commons-Struktur zur Verfügung und ist damit auch exklusiv für Commoning bestimmt. Da ein Bedürfnis nach Kartoffeln ansteht, haben sich Einzelpersonen virtuell verbunden, um dieses Bedürfnis gemeinsam zu befriedigen. Hierfür koppeln sie den Acker und anderes Werkzeug zuerst an ihr virtuelles Commons und beginnen darauf mit dem Commoning. Der Acker ist somit nicht an sich ein Commons, er wird Teil eines Commons durch die Verbindung mit selbstorganisierter menschlicher Tätigkeit zur allgemeinen Bedürfnisbefriedigung. Die Bearbeitung des Ackers durch die Gruppe ist das fortgeführte interpersonale Commoning der transpersonalen Ebene. Als Ergebnis des Commoning-Prozesses stehen die Kartoffeln denjenigen zur Verfügung, die das Bedürfnis dafür eingespeist haben. Unerheblich ist dabei, ob sie dabei nur an sich gedacht oder Bedürfnisse aus ihrem interpersonalen Umfeld mit einbezogen haben. Wie auch in der kapitalistischen Produktion die Lohnarbeiter kein besonderes Anrecht auf die von ihnen geschaffenen Produkte haben, haben es auch die am Commoning beteiligten Personen nicht. Falls die Gruppe das Projekt nicht weiterführt, löst sich das Commons wieder auf, aber der Acker bleibt als gesellschaftliches Produktionsmittel bestehen.

Werden im Commoning nicht Mittel zur direkten Bedürfnisbefriedigung hergestellt (Nahrung, Energie, Hygieneartikel, etc.), entsteht ein neues gesellschaftliches Produktions- oder Lebensmittel. Das gesellschaftliche Produktionsmittel dient der Befriedigung des Bedürfnisse bzw. Bedarfs, für den es erzeugt wurde und steht anschließend exklusiv, d.h. private Produktion wird ausgeschlossen, für andere Commoning-Prozesse zur Verfügung. Gesellschaftliche Lebensmittel sind Genussmittel wie Wohnraum, Spielzeug oder Fernseher, welche sinnlich-vitale Bedürfnisse zwar befriedigen, dabei aber nicht vollständig aufgebraucht werden. Wie die gesellschaftlichen Produktionsmittel stehen sie wieder zur freien Verfügung innerhalb der Commons-Struktur, wenn sie nicht mehr gebraucht werden, d.h. nicht mehr der direkten Befriedigung eines sinnlich-vitalen Bedürfnisses dienen.

 

7_Produktion und Distribution innerhalb der Commons-Struktur

Das Commoning ist eine ausgleichende Bewegung: Es beginnt immer mit einem Bedürfnis ( B- ), welches über den Prozess des Commonings (…c…) befriedigt wird (B+). Seine allgemeine Formel lautet daher „ B- – … c… – B+ “. Ein Bedürfnis teilt sich in die sinnlich-vitale Bedürfnisdimension ( svB ) und die produktive Bedürfnisdimension ( pB ). Es sind zwei Momente desselben Bedürfnisses und nicht zu verwechseln mit zwei verschiedenen Arten von Bedürfnissen. Während in der sinnlich-vitalen Bedürfnisdimension Befriedigung durch Genuss erfahren wird, ist das produktive Bedürfnis der „Drang, die eigene Existenz langfristig abgesichert zu wissen“ (M/S, S.127). Die eigene Existenz kann für eine Person langfristig abgesichert sein, wenn sie „Verfügung über die vorsorgende Herstellung [und Erhaltung] der Lebensbedingungen“ (ebd.) hat. Noch einmal Meretz und Sutterlütti: „Aktuell vorhandenes Essen genießen zu können, ist die eine Seite, dauerhaft über Essen verfügen zu können, die andere“ (ebd.). In einer auf Kooperation beruhenden Gesellschaft müssen beide Dimensionen nicht unmittelbar zusammenfallen – jemand kann eine Wohnung benötigen, ohne selbst Häuser bauen zu müssen -, aber durch soziale Teilhabe im gesellschaftlichen Produktionsprozess soll die langfristige Befriedigung der sinnlich-vitalen Bedürfnisse sichergestellt werden.

Anmerkung (29.12.19): Die allgemeine Formel des Commonings wurde im Laufe der nachfolgenden Texte verändert und wurde hier nachgebessert. Zuvor wurde hier zwischen Produktions- und Lebensmitteln unterschieden, was im Bezug auf das Marx-Zitat zum Verein freier Menschen und damit in der Argumentation des Textes Sinn macht. Die Unterscheidung ist allerdings einer allgemeineren Definition der Mittel gewichen, welche gegenständliche, soziale und symbolische Mittel mit einschließt. Gegenständliches Mittel ist dabei alles, das sich anfassen lässt, wie Produktionsmittel (Rohstoffe, Maschinen, etc.), Grund und Boden, Wohnraum, Spielzeug, usw. Symbolische Mittel sind alle Formen von Wissens- und Kulturinhalten, die prinzipiell beliebig vervielfältigt werden können, wie der Inhalt von Büchern und Internetseiten oder Anleitungen für die Herstellung bestimmter Produktionsmittel und Medikamente. Soziale Mittel schließlich sind sämtliche soziale Formen, die Menschen zur vorsorgenden Herstellung ihrer Lebensbedingungen schaffen – Arbeitsorganisationen, Entscheidungsstrukturen, Konfliktlösungsformen,etc.

Bedürfnisbefriedigung über Commoning kann durch eine Formel dargestellt werden. In dem Fall, dass die zur Bedürfnisbefriedigung notwendigen Mittel nicht vorhanden sind, kann eine zweite Form von Prozess entstehen. Fehlt es auch hier wieder an Mitteln, entsteht ein weiterer Prozess, von derselben Art wie der Zweite. Aus Perspektive des anstehenden sinnlich-vitalen Bedürfnisses ergibt sich eine hierarchische Folge von einzelnen Commoning-Prozessen, wobei sich ab der zweiten Stufe mehr als ein Commoning-Prozess auf jeder Stufe stattfinden kann.

Eine Person vermittelt ein unbefriedigtes sinnlich-vitales Bedürfnis ( svB- ). Das sinnlich-vitale Bedürfnis wird von einer anderen Person erfasst, welche dessen Befriedigung zur Herstellung und Erhaltung der sowohl gesellschaftlichen als auch eigenen Lebensbedingungen als sinnvoll empfindet ( pB- ) und dieser Befriedigung mit den eigenen Fähigkeiten (F) nachgehen kann. Interpersonale Vermittlung ist dabei abhängig von Personen, Mitteln und Strukturen, welche der Person, welche das Bedürfnis vermittelt, bekannt sind. Transpersonale Vermittlung ist abhängig von den ihr bekannten Medien, über welche vorhandene/verfügbare Mittel, anstehende Bedürfnisse und die Strukturen zu ihrer Befriedigung kommuniziert und aktualisiert werden. Die Mittel kann es sich dabei sowohl um gesellschaftliche Mittel ( gM ) handeln, welche unter kollektiver Verfügung stehen, oder um private Mittel ( pM ), welche den Nutzungsbedingungen der Eigentümer unterliegen.

Der Prozess zur Befriedigung anstehender Bedürfnisse ist das Commoning (…c…). Hierzu wird eine Vorgehensweise überlegt bzw. gewählt und dieser entsprechend Grenzen und Regeln gesetzt. Indem am Commoning Beteiligte sich die Tätigkeiten aussuchen, welche sie sowohl für die Gesellschaft als auch für sich selbst als notwendig erachten und sie auch die Organisation der Prozesse ihren Bedürfnissen nach (mit-)gestalten, ist Befriedigung innerhalb der produktiven Bedürfnisdimension Bestandteil des Commonings ( pB +). Im Prozess können dabei gegenständliche Mittel ganz oder teilweise verbraucht bzw. verschlissen werden ( M- ), während soziale oder symbolische Mittel unverändert bleiben ( M0 ) oder durch die Tätigkeit innerhalb des Commonings weiterentwickelt werden bzw. neu entstehen ( M+ ). Das Commoning ist abgeschlossen, wenn die Person, welche das Bedürfnis vermittelt hat, dieses als befriedigt ansieht ( svB +).

Die zweite Form eines Commoning-Prozesses unterscheidet sich von der ersten lediglich darin, dass ein Bedarf nach einem Mittel ( g M- ) entstanden ist, welcher gedeckt werden muss ( gM+ ). Ein solcher Prozess Bedarfsdeckung entsteht nie von sich heraus, sondern immer nur, wenn Mittel für eine Bedürfnisbefriedigung fehlen. Wie bereits angesprochen, kann es auch in einem solchen Prozess wieder an Mitteln fehlen, wodurch ein oder mehrere Prozesse derselben Form entstehen können. Das benötigte Mittel kann zwar immer auch privat zur Verfügung gestellt werden, wobei durch den Prozess des Commonings nur gesellschaftliche Mittel ( gM ) hergestellt werden.

Zur Verdeutlichung der Struktur eines gesamten Prozesses: Angenommen, in den Commons der ersten beiden Stufen würde es an je drei Komponenten fehlen, dann wären in der zweiten Stufe drei Commoning-Prozesse notwendig, um die Mittel für die erste Stufe herzustellen und in der dritten Stufe bräuchte es neun Commoning-Prozesse für die Bedarfsdeckung der zweiten. Zur Befriedigung einer einzigen Art sinnlich-vitaler Bedürfnisse müssten demnach dreizehn Commons mitwirken. In der kapitalistischen Produktion gibt es tatsächlich nur einen Prozess, denn alles was die Kapitalistin für ihre Produktion benötigt, sollte unabhängig von ihr produziert worden und in Warenform am Markt vorhanden sein.

Gesetzt eine funktionierende Commons-Struktur existiert innerhalb einer von kapitalistischer Produktion bestimmten Gesellschaft, so ergeben sich fünf Bedingungen für ein erfolgreiches Commoning:

  1. Es gibt Menschen, die ihre sinnlich-vitalen Bedürfnisse über die Commons-Struktur befriedigen lassen wollen (svB-).

  2. Die notwendigen gesellschaftliche Mittel sind in den letzten Commons verfügbar bzw. Fehlstände können durch private Mittel ausgeglichen werden (gM+/pM+).

  3. Es gibt Menschen, welche die notwendigen Fähigkeiten für den jeweiligen Commoning-Prozess besitzen und eine Möglichkeit zur langfristigen Absicherung ihrer sinnlich-vitalen Bedürfnisse über die Tätigkeit innerhalb der Commons-Struktur sehen (pB-).

  4. Das Leben dieser Personen wird nicht in einem Ausmaß von sachlicher oder persönlicher Herrschaft bestimmt, welches das Aufbringen von Zeit und Energie für das Commoning verhindert (…c…).

  5. Die vergehende Zeit zwischen Einspeisung eines sinnlich-vitalen Bedürfnisses und seiner Befriedigung ist im Rahmen des anstehenden sinnlich-vitalen Bedürfnisses selbst (Δt (svB- → svB+)).

Die beschriebene Form der Commons-Struktur gilt sowohl für interpersonale als auch transpersonale Commoning-Prozesse. Ein sinnlich-vitales Bedürfnis wird dabei erst in das Commons-Netzwerk eingespeist, wenn es nicht innerhalb bereits geschaffener interpersonaler Strukturen befriedigt werden kann bzw. diese der jeweiligen Person unbekannt sind. Über die zentrale Instanz zur Selbstorganisation und Zwecksetzung gesellschaftlicher Mittel können sich somit von Anfang an einander unbekannte Personen zur gemeinsamen Herstellung und Erhaltung der eigenen Lebensbedingungen verbinden und sie unterstützt somit den Aufbau von interpersonalen Strukturen, welche diese Instanz selbst in Teilen wieder überflüssig machen. Ist diese Instanz als Programm einmal entwickelt, wird noch kein einziges gesellschaftliches Mittel benötigt, um mit privaten Mitteln Commoning zu betreiben, das heißt auch, eine Commons-Struktur aufzubauen. Dieser Aufbau ist somit auch unabhängig von der jeweiligen kapitalistischen Entwicklungshöhe des lokalen Umfeldes. Da es damit – wir schließen Subsistenzwirtschaft und persönliche Herrschaftsverhältnisse hier aus – neben der kapitalistischen Produktionsweise eine zweite Möglichkeit gibt, durch welche ein rechtlich freier Mensch in Kooperation seine Lebensbedingungen herstellen kann, können wir vergleichen, welche Produktionsform individuell für ihn Sinn macht.

 

8_Vergleich der Bedürfnisbefriedigung in Commoning und Lohnarbeit

8.1_Befriedigung innerhalb der sinnlich-vitalen Bedürfnisdimension

Sinnlich-vitale Bedürfnisse sind etwa Hunger, ein Dach über den Kopf zu wollen, das Verlangen nach einer ärztlichen Untersuchung oder menschlicher Nähe, usw. Innerhalb einer bestehenden Gesellschaft werden dabei nicht alle sinnlich-vitalen Bedürfnisse über die bestimmende Produktionsweise befriedigt. Eine Gesellschaft bezeichnen Meretz und Sutterlütti daher als „ Hybrid, eine Mischung verschiedener Re/Produktionsweisen, in dem jedoch eine dominant, bestimmend, hegemonial ist“ (M/S, S.91). Weiter: „Diese bestimmende Re/Produktionsweise strukturiert die gesamte Gesellschaft nach ihrer Logik und zwingt den anderen Weisen ihre Ziele auf“ (ebd.).

Ausgegangen von der Situation der Lohnabhängigkeit wird folgend der Prozess zur sinnlich-vitalen Bedürfnisbefriedigung über die kapitalistische Produktionsweise (I.) und über das Commoning (II.) untersucht.

Sinnlich-vitale Bedürfnisse ( svB- ) werden warenförmig ( W ) befriedigt; es ist also Geld ( G ) notwendig. Lohnabhängige kommen an Geld über Lohnarbeit, müssen also versuchen ihre Arbeitskraft ( Ak ) zu verkaufen und diese wird schließlich als Gebrauchsgegenstand in den Produktionsprozess (… P… ) eingeordnet. Im Produktionsprozess stellen die Lohnarbeiter an den Produktionsmittel neue Waren W‘ her, deren Wert höher ist als die Summe von Arbeitskraft plus Produktionsmittel, d.h. auch größer ist als der Wert W , welcher zur Befriedigung des Bedürfnisses der Lohnarbeiterin notwendig ist. Die Differenz zwischen W und W‘ ist das Mehrprodukt, das durch die Mehrarbeit der Lohnarbeiterin entstand und im Verkaufsfall zum Mehrwert der Unternehmerin wird.

Kapitalismus basiert auf Äquivalententausch – auf einem Gegenleistungsprinzip – und daher lässt sich sinnlich-vitale Bedürfnisbefriedigung im Rahmen der kapitalistischen Produktionsweise nicht denken, ohne selbst tätig zu werden. Durch das Prinzip der über das Geld vermittelten Gegenleistung kann die einzelne Person dafür selbst bestimmen, wie und auf welche Weise die sinnlich-vitale Bedürfnisbefriedigung geschieht, wenn es nur warenförmig möglich und genügend Geld vorhanden ist. Die einzelne ist zum Geld-verdienen zwar von anderen abhängig, aber es gibt keine zweite Person, die darüber urteilt, ob sich eine bestimmte Bedürfnisbefriedigung lohnt bzw. ob sie etwa ethisch richtig ist. Systematisch muss für eine bestimmte Bedürfnisbefriedigung aber immer mehr gearbeitet, also ein höherer Wert produziert werden, als die Ware selbst hat, die zur Befriedigung des sinnlich-vitalen Bedürfnisses verwendet wird. Gesellschaftliche Arbeitsteilung mit Mehrwertproduktion auf eine Tätigkeit herunter gebrochen hieße etwa, dass eine angestellte Tischlerin fünf Tische produzieren muss, um sich einen leisten zu können.

Ein sinnlich-vitales Bedürfnis ( svB- ) wird interpersonal oder transpersonal vermittelt (Verm.) und darauf gehofft bzw. gewartet, dass das Bedürfnis befriedigt wird ( svB+ ).

Entscheidender Vorteil der sinnlich-vitalen Bedürfnisbefriedigung über die Commons-Struktur ist, dass es keine Gegenleistung erfordert. In einer nicht-ausgebauten Commons-Struktur, bei außergewöhnlichen Bedürfnissen usw., ergeben sich daraus zwei entscheidende Nachteile: Erstes kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, dass sich Menschen finden, welche sich dem Bedürfnis annehmen und ob es somit überhaupt befriedigt wird. Zweitens kann der Zeitabstand zwischen Einspeisung und Befriedigung mitunter extrem lange sein. Commoning-Prozesse können erst angestoßen werden, sobald es ein Bedürfnis bzw. einen Bedarf gibt und von da ab kann erst angefangen werden, die notwendigen Mittel zu organisieren bzw. auch diese erst herstellen zu lassen. Commoning kann allerdings nicht zur bestimmenden Produktionsweise werden, wenn die sinnlich-vitalen Bedürfnisse der Teilnehmenden nicht ausreichend befriedigt bzw. nicht tendenziell besser über Commoning als über kapitalistische Produktion befriedigt werden.

8.2_Befriedigung innerhalb der produktiven Bedürfnisdimension

Die produktive Bedürfnisdimension ist das Verlangen nach einer langfristigen Verfügung über die zur sinnlich-vitalen Bedürfnisbefriedigung nötigen Mittel. Innerhalb einer auf Kooperation basierenden Gesellschaft stehen dafür verschiedene Handlungsmöglichkeiten zur Teilhabe am Re-/Produktionsprozess zur Verfügung, welchen entweder durch Zwang oder Freiwilligkeit nachgegangen werden muss bzw. kann (M/S, S.125). Einzelne Personen bringen sich in solche Strukturen ein, um Handlungsfähigkeit auszuüben, damit Handlungsmöglichkeiten zu realisieren und somit nicht ohnmächtig den Lebensbedingungen ausgeliefert zu sein (M/S, S.128). Je höher dabei die durch individuelle Teilhabe angestrebte Verbesserung der eigenen Lebensqualität im Vergleich zu den damit verbundenen Anstrengungen und Risiken ist, desto höher ist die Motivation hierfür (M/S, S.130). Diese Teilhabe kann dabei den anderen Gesellschaftsteilnehmern gegenüber einschließend oder ausschließend wirken (M/S, S.129).

Die Befriedigung des produktiven Bedürfnisses ist maximal, wenn über die Lebensbedingungen verfügt wird bzw. der Zugriff darauf sichergestellt ist. Voraussetzung dafür sind unbegrenzte Handlungsmöglichkeiten in alle Bereiche der Verfügung, deren Realisierung andere Gesellschaftsteilnehmer nicht von den Lebensbedingungen ausschließt, sondern die Lebensqualität potentiell aller damit in Verbindung stehenden Gesellschaftsteilnehmer erhöht.

Wieder wird erst die Bedürfnisbefriedigung über die kapitalistische Produktion (I.) und schließlich über das Commoning (II.) geprüft.

Im Kapitalismus wird Handlungsfähigkeit durch Geld erreicht und dieses am effektivsten durch die reine Geldvermehrung, sprich, indem die Rolle einer Kapitalistin angenommen wird. Da die Rolle der Kapitalistin abhängig von der Vorhandensein von Lohnarbeitern ist und diese Gruppe objektiv ein höheres Interesse an der Aufhebung des kapitalistischen Systems hat, wird die Bedürfnisbefriedigung wieder nur aus Perspektive der stetig wachsenden Gruppe der Lohnabhängigen betrachtet. Eine Lohnabhängige kann im gesellschaftlichen Durchschnitt die Verfügung über ihre notwendigen Lebensbedingungen genau durch eine normale Arbeitswoche herstellen. Da sie in ihrer Situation von dem gesellschaftlichen Fortschritt entkoppelt ist, wird sich diese Arbeitswoche nicht verändern, bis ihre Arbeitskraft nicht mehr verwertbar ist. Zwar wird sie durch den Verkauf ihrer Arbeitskraft im Produktionsprozess objektiviert ( Ak ), dient hier lediglich zur Kapitalverwertung und kann nur in geringen Ausmaß in dieser Zeit über sich selbst verfügen, aber so lange sie es schafft ihre Arbeitskraft zu verkaufen, muss sie in einer auf Privateigentum basierenden Gesellschaft weniger Angst haben, vom gesellschaftlichen Gesamtprodukt ausgeschlossen zu werden. Meretz und Sutterlütti dazu: „Heute haben wir gute Gründe, manche unserer Bedürfnisse zurückzustellen, zuzurichten oder zu unterdrücken […]. Die uns selbst auferlegten Beherrschungen und Zurichtungen ergeben unter heutigen Bedingungen Sinn, denn sie halten unsere Handlungsfähigkeit aufrecht“ (M/S, S.85).

Über die gesellschaftliche Notwendigkeit der eigenen Arbeit kann im Kapitalismus keine Aussage getroffen werden. Kapitalistische Produktion dient der Geldvermehrung, der Verwertung des Wertes, und Bedürfnisbefriedigung ist selbst nur Mittel für diesen Zweck. Da die Arbeitswoche statisch ist, 4-6 Tage die Woche gearbeitet werden muss und das gesellschaftliche Normalität ist, lässt sich bezüglich der Motivation für die einzelnen Tätigkeiten innerhalb dieser Arbeitszeit kaum eine Aussage treffen. Die statische Arbeitswoche, unabhängig von Arbeitsbedarf, Jahreszeit, Wetter, etc. ist dabei eine absolute Besonderheit der kapitalistischen Produktionsweise. Die einzige Alternative, die sich aber selbst ebenfalls auf die Lohnarbeit bezieht und daher die Sphäre nicht verlässt, scheint die Arbeitslosigkeit zu sein, in welcher sämtliche Formen der Handlungsfähigkeit negiert werden und die einzelne Person keinerlei Recht auf einen Anteil am Gesamtprodukt hat. Ein Sozialstaat mag eine totale Ausgeschlossenheit verhindern, ist aber selbst Teil der Verwertungslogik, kennt also keine wirkliche Alternative zur Lohnarbeit und benennt daher auch Vollbeschäftigung – eine fremdbestimmte Arbeitswoche für alle Lohnabhängigen, unabhängig von ihren Arbeitsbedingungen – als eine Utopie.

Die Herstellung und Erhaltung der eigenen Lebensbedingungen im Commoning: Eine Person bekommt ein unbefriedigtes sinnlich-vitales Bedürfnis oder einen Bedarf nach gesellschaftlichen Mitteln vermittelt und entscheidet sich, sich dem anzunehmen. Sie kann dabei schon fester Teil eines Commons zur Befriedigung eines bestimmten Bedürfnisses/Bedarfs sein, sich dafür einem bestehenden Commons anschließen oder an der Entstehung eines solchen mitwirken. In entsprechenden Commons wird die Verfügbarkeit der gesellschaftlichen Mitteln überprüft (), im entsprechenden Fall direkt daran gekoppelt und eventuell noch private Mittel durch die Teilnehmer zur Verfügung gestellt. Fehlt es an gesellschaftlichen Mitteln, muss ein Bedarf danach in die Commons-Struktur eingespeist werden. Sind die Mittel verfügbar und haben die Beteiligten die nötige Zeit dafür übrig, können sie gemeinsam mit dem Commoning beginnen. Im Prozess selbst werden gesellschaftliche bzw. private Mittel verbraucht, erhalten oder neu geschaffen ( Mittel (-/0/+)) und dabei ein Beitrag zur Herstellung und Erhaltung der gesellschaftlichen Notwendigkeiten erbracht ( pB+ ).

An einem Commoning-Prozess beteiligt sein, hat nichts mit arbeiten im heutigen Sinne zu tun. Arbeiten im Kapitalismus ist ein abstrakter Prozess : „Ökonomisch in dieser Einfachheit gefaßt, ist „Arbeit“ eine ebenso moderne Kategorie wie die Verhältnisse, die diese einfache Abstraktion erzeugen“ (MEW42, S.38). Arbeit heute ist ein Rahmen, der sich um konkrete Tätigkeiten spannt, denen aber an erster Stelle nicht aufgrund ihrer Nützlichkeit für die Gesellschaft nachgegangen wird, sondern um Geld zu erhalten, mit dem Verfügung über die eigenen Lebensbedingungen sichergestellt werden soll. Die Arbeit wird somit als vom Weltgeschehen isoliert betrachtet, als ob die Tätigkeit in ihr nicht einen verselbstständigten Verwertungsapparat vorantreiben würde, der sich immer tiefer in das Land und in die Köpfe gräbt. Da Arbeit abstrakt ist, kann sie auch geteilt werden. Eine einzelne Tätigkeit ist dagegen immer konkret , kann aber, etwa innerhalb eines Commoning-Prozesses (aber auch innerhalb eines kapitalistischen Unternehmens bzw. des abstrakten Rahmens Arbeit) in Kooperation mit anderen geschehen. Da Commoning immer zu einem bestimmten Zweck geschieht, hat der Prozess einen klar definierten Anfang und ein klar definiertes Ende; im Gegensatz zur Arbeit, die für die Lohnarbeiter im Rahmen der Verwertung erst mit dem Eintritt in das Rentenalter aufhört. Das Commoning ist somit ein bewusster Prozess zur Gestaltung der Welt nach menschlichen Bedürfnissen.

Statt der Angst, vom gesellschaftlichen Gesamtprodukt ausgeschlossen zu werden, wenn die eigene Arbeitskraft nicht verkauft werden kann, basiert das Commoning auf Vertrauen, dass andere die eigenen sinnlich-vitalen Bedürfnisse befriedigen. Statt als Produzierender vom gesellschaftlichen Fortschritt entkoppelt zu sein und die arbeitsfähige Zeit im Leben immer arbeiten oder dafür lernen zu müssen, steigt die Verfügung über die Lebensbedingungen mit dem zunehmenden Fortschritt der Technik und Zusammenarbeit. Statt sich nur eine Arbeitgeberin aussuchen zu können und schließlich zu vorgegeben Bedingungen arbeiten zu müssen, kann sich die konkrete Tätigkeit den eigenen Fähigkeiten und Interessen nach gewählt werden und in den Commons werden die Bedingungen der Kooperation diskutiert und nach den Bedürfnissen der Teilnehmenden gestaltet. Statt einer undurchsichtigen, durch die Jagd nach hohen Profitraten gestalteten Gesellschaftsstruktur gegenüberzustehen, wird durch die Transparenz des Commons-Netzwerkes klar einsehbar, inwiefern die eigene Tätigkeit zur Verbesserung der allgemeinen Lebensbedingungen beiträgt. Die Motivation kann dafür also deutlich höher sein, als es in der Lohnarbeit der Fall ist.

Innerhalb einer Gesellschaft mit dominanter kapitalistischer Produktionsweise ist der große individuelle Nachteil von Commoning, dass es keine direkte Gegenleistung mit sich bringt. In einer von Commoning bestimmten Gesellschaft mag das weniger ein Problem sein, aber, noch einmal Meretz und Sutterlütti, die „bestimmende Re/Produktionsweise strukturiert die gesamt Gesellschaft nach ihrer Logik und zwingt den anderen Weisen ihre Ziele auf“ (M/S, S.91). Commoning hilft der Einzelnen nicht die Miete, die Krankenversicherung, die Kleidung, die Nahrung, etc. zu zahlen. Innerhalb der Transformation ist daher eine dem Gegenleistungsprinzip ähnelnde Funktion – wie sie folgend dargestellt wird – im Commoning unerlässlich, die aber mit der zunehmenden Ausdehnung der Commons-Struktur an Bedeutung verlieren soll.

9_Bedürfnispriorisierung

Ein letztes Mal Marx zu seinem Verein freier Menschen: „Nur zur Parallele mit der Warenproduktion setzen wir voraus, der Anteil jedes Produzenten an den Lebensmitteln sei bestimmt durch seine Arbeitszeit. Die Arbeitszeit würde also eine doppelte Rolle spielen. Ihre gesellschaftlich planmäßige Verteilung regelt die richtige Proportion der verschiednen Arbeitsfunktionen zu den verschiednen Bedürfnissen. Andrerseits dient die Arbeitszeit zugleich als Maß des individuellen Anteils des Produzenten an der Gemeinarbeit und daher auch an dem individuell verzehrbaren Teil des Gemeinprodukts" (MEW23, S.93). Um zu zeigen, wie eine transparente Gesellschaftsorganisation funktionieren kann, macht Marx ein Verhältnis von der individuell geleisteten Arbeitszeit zur Gesamtarbeitszeit auf und misst daran den individuellen Anteil am Gesamtprodukt. Da im Commoning immer erst produziert wird, sobald ein Bedürfnis ansteht, gibt es kein Gesamtprodukt, das verteilt werden muss. Was es dagegen gibt, ist eine Gesamtanzahl von anstehenden sinnlich-vitalen Bedürfnissen. Statt einer Verteilung im Nachhinein kann somit eine Gewichtung bzw. Priorisierung von Bedürfnissen im Vornherein stattfinden. Da Selbstauswahl der Tätigkeit ein zentraler Aspekt des Commonings ist, kann es sich dabei nie um mehr als einen Handlungsvorschlag handeln. Menschen setzen sich in der Auswahl der Tätigkeiten zwar eigene Ziele und Prioritäten (M/S, S.189), aber trotzdem gibt es ein objektives Anliegen, das allen Commoning-Prozessen zu Grunde liegt und ohne das etwa die eigene Zielsetzung und Selbstauswahl nicht möglich wäre: Die Herstellung und Erhaltung der Commons-Struktur selbst.

Die Priorisierung von bestimmten Bedürfnissen ist kein Prozess, der von Menschen gesteuert werden soll und die Einzelne soll auch nicht „das Wohlergehen aller“ in ihrer Auswahl der Tätigkeit im Kopf behalten. Durch die mechanische Priorisierung soll im Moment der Selbstauswahl eine Richtung nahegelegt werden, die sowohl zum eigenen Vorteil ist, als auch die Commons-Struktur herstellen und erhalten soll. Sinnlich-vitale Bedürfnisse können in der Commons-Struktur von Anfang an beliebig viele anstehen, da zu ihrer Befriedigung keine Gegenleistung verlangt wird. Da das Leben der Lohnabhängigen aber von sachlichen Zwängen bestimmt ist, kann anfangs nur ein Bruchteil davon befriedigt werden. Aus dieser unbegrenzten Menge anstehender Bedürfnisse sollen also diejenigen priorisiert werden, welche für einen Übergang aus den sachlichen Zwängen heraus am notwendigsten sind, die Commons-Struktur gegen das kapitalistische Umfeld stabilisieren und damit ermöglichen, dass immer mehr sinnlich-vitale Bedürfnisse über Commoning befriedigt werden können. Da aber keine Tätigkeit die „Bedürfnisse einer Gesellschaft“ - auch nicht die einer Commons-Struktur – befriedigt, sondern immer nur die Bedürfnisse konkreter Personen, müssen die sinnlich-vitalen Bedürfnisse von denjenigen priorisiert werden, welche selbst priorisierte sinnlich-vitale Bedürfnisse anderer befriedigen. Was wie ein Zirkelschluss klingt bedeutet aber, dass diejenigen, welche Zeit im Commoning investieren und damit auch gesellschaftliche Mittel erzeugen, auch dafür die Zeit frei von sachlicher Herrschaft bekommen, indem die Befriedigung ihrer sinnlich-vitalen Bedürfnisse im Commons-Netzwerk nahegelegt wird, sprich, sie zunehmend von der Lohnarbeit unabhängig werden.

Die Priorisierung bezieht sich dabei auf die Tauschlogik seines kapitalistischen Umfeldes, kann also auch mit einer Abwandlung ihrer Kategorien gemessen werden. Der Wert einer Tätigkeit misst sich in der Marktwirtschaft an der investierten Arbeitszeit, der Arbeitsintensität, unter Anwendung gesellschaftlich durchschnittlicher Produktionsmittel zur Herstellung am Markt nachgefragter Produkte. Der Faktor der individuellen Verausgabung kann für die Transformation beibehalten werden, die Anwendung gesellschaftlich-durchschnittlicher Produktionsmittel verliert in der kollektiven Verfügung ihren Sinn und die Richtung, hier nachgefragte Produkte für den Markt, muss von der Verwertung in die Unabhängigkeit von der Verwertungsstruktur umgeleitet werden. Angenommen also in einem Land ohne medizinische Grundversorgung mangelt es an Ärzten und die Nachfrage nach medizinischer Versorgung ist dabei sehr hoch. Kapitalistisch betrachtet hat medizinische Versorgung daher einen hohen Wert, commonistisch betrachtet gibt es eine hohe Anzahl an entsprechenden sinnlich-vitalen Bedürfnissen. Ohne die Priorisierung der Bedürfnisse von denjenigen, die das Bedürfnis nach medizinischer Versorgung innerhalb der Commons-Struktur stillen, hätte es zur langfristigen Sicherung der eigenen Lebensbedingungen für niemanden einen Vorteil, sich einem jahrelangen Medizin-Studium hinzugeben und sich dann nicht dem Markt zur Verfügung zu stellen. Mit der Priorisierung wird eine Ärztin tendenziell unabhängig von Lohnarbeit und ebenso müssen diejenigen, die von ihr versorgt werden, weniger Zeit in Lohnarbeit investieren, um die hohen Kosten der medizinischen Versorgung im kapitalistischen System zu stemmen.

Wie Meretz und Sutterlütti im Kapitel „Konflikte in der Inklusionsgesellschaft“ (M/S, S.183) beschreiben, kann es auch innerhalb der Commons-Struktur zu Auseinandersetzungen zur Verwendung von gesellschaftlichen Mitteln kommen, die aber bewusst und zwischenmenschlich ausgetragen werden müssen. Die Autoren bezeichnen die Konflikte als „Entscheidungen über die Priorisierung von Zielen“ (ebd.) und die mechanische Priorisierung einzelner Bedürfnisse darf hier nicht entscheidend wirken, aber kann als äußere Bewertungsinstanz bei Entscheidungsfindungen behilflich sein. Ein Konflikt um die Verwendung eines gesellschaftlichen Mittels hat dabei drei zentrale Elemente: 1. Das Commons mit der höheren Priorisierung sitzt, zumindest psychologisch, am längeren Hebel. Der Konflikt verläuft nicht auf Augenhöhe, das aber zu Recht, da die Priorisierung anzeigt, welcher Prozess notwendiger für die Herstellung und den Erhalt der gemeinsamen Lebensbedingungen und die Aufhebung des Kapitalismus ist. 2. Die innere Logik beider Commoning-Prozesse ist inklusiv. Die Menschen beider Commons befriedigen gleichermaßen nicht die eigenen, sondern sinnlich-vitale Bedürfnisse allgemeiner-anderer und daher ist eine Absprache und Suche nach einer gemeinsamen Lösung auch zur Befriedigung der eigenen Bedürfnisse sinnvoll. 3. Indem die Bedürfnisse derjenigen priorisiert werden, die selbst an Commoning-Prozessen mitwirken, haben die Produzierenden beider Commons im Konflikt um die Verwendung eines gesellschaftlichen Mittels einen eigenen Vorteil, diesen Konflikt für sich zu entscheiden. Ein Konflikt innerhalb der inklusiven Logik der Commons-Struktur hat somit einen exklusiven Moment, das heißt, dass es im Konflikt Sinn macht, die Produzierenden des anderen Commons von dem Mittel auszuschließen. So lange aber Commoning nicht die bestimmende gesellschaftliche Produktionsweise ist, findet dieser exklusive Moment der inklusiven Struktur aber in einem gesellschaftlichen Rahmen des sachlichen Zwanges statt. Diese Form der Priorisierung auf Grund dieses Momentes vermeiden zu wollen bedeutet damit auch zuzulassen, dass wir in einem Umfeld aus viel schwerwiegenderen exklusiven Konflikten gefangen bleiben.

Neben der Unterstützung zur Selbstauswahl und im Konfliktfall, spricht ein weiterer Aspekt für die Priorisierung von Bedürfnissen: Die Anknüpfung an der Normalität innerhalb des kapitalistischen Systems. Marx: „Erst in dem 18. Jahrhundert, in der »bürgerlichen Gesellschaft«, treten die verschiedenen Formen des gesellschaftlichen Zusammenhangs dem einzelnen als bloßes Mittel für seine Privatzwecke entgegen, als äußere Notwendigkeit“ (MEW42, S.20). Im Commoning sind die gesellschaftlichen Zusammenhänge keine bloßes Mittel zum Privatzweck, aber aus dem heutigen Alltag heraus ist das schwer zu begreifen. Ohne Priorisierung und ohne theoretisches Hintergrundwissen über Warenfetisch, sachliche Herrschaft, Ausbeutung, Klassendynamik, kurz: die Auswirkungen des kapitalistischen Systems als Ganzen, ist eine Produktionsweise nach den Prinzipien der Freiwilligkeit und kollektiven Verfügung schwer für jemanden verständlich, für den eine 40-Stunden-Woche etwas vollkommen natürliches ist. Das Bewusstsein in einem kapitalistischen System ist durch Verwertungslogik geprägt und so fällt es schwer zu verstehen, warum jemand etwas „geschenkt“ bekommt, wenn er sein Bedürfnis in ein Programm einspeist oder für jemanden arbeiten soll, ohne dafür Geld zu bekommen. Auch jemand, der durch den Konkurrenzkampf im Kapitalismus etwa zum Chauvinismus oder zur Habgier gebracht wurde, hat keinen Grund sein Verhalten zu ändern, wenn er seine sinnlich-vitalen Bedürfnisse befriedigen kann, ohne sich selbst dabei einzubringen. Commoning muss daher innerhalb der Transformation auch ein Lernprozess sein, den eine Gesellschaft als Ganzes, durch die Einzelerfahrungen seiner Mitglieder, durchmacht. Es muss schrittweise erfahren werden, dass durch die Befriedigung der Bedürfnisse allgemeiner-anderer, auch die eigenen Bedürfnisse besser befriedigt werden. Mit Bedürfnispriorisierung wird daher ernst genommen, dass die Gesellschaft der bestimmenden Produktionsweise folgt und nicht die Produktionsweise einer revolutionierten Gesellschaft.

Erst durch die Priorisierung von Bedürfnissen ergibt es im bestehenden System für einzelne Lohnabhängige überhaupt Sinn, die freie Zeit für Commoning aufzuwenden. Angefangen in einem Umfeld aus sachlichen Zwang, ist es für einzelne Personen anfangs notwendig, priorisierte Tätigkeiten zu erledigen, damit sie selbst einen Vorteil davon haben und sich aus den Zwängen des Kapitals befreien können, indem die eigenen Bedürfnisse tendenziell durch andere Commoning-Prozesse befriedigt werden. Über die Befriedigung dieser priorisierten Bedürfnisse wird die Commons-Struktur aufgebaut, die Masse an gesellschaftlichen Mitteln nimmt zu, Commons treten nicht mehr nur vereinzelt auf, die Arbeitsteilung innerhalb der Commons wächst an und immer mehr Menschen können immer effizienter ihre Lebensbedingungen über die Commons-Struktur herstellen. So wie das Zwangsmoment der kapitalistischen Struktur abnimmt und Commoning sich vermehrt etabliert, verliert es an Wichtigkeit selbst priorisierte Bedürfnisse zu befriedigen. Die intrinsische Motivation kann sich entfalten, indem sich vermehrt den Aufgaben zugewendet wird, in denen ein Sinn für die eigene Weiterentwicklung gesehen wird. Indem sich die inkludierenden Strukturen ausbreiten und sämtliche Tätigkeitszusammenhänge transparent sind, wird sich gesellschaftlich dem Zwangscharakter der Teilhabe enthoben und sich dem Ideal der Freiwilligkeit angenähert.

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