Aufwandsfrage

Was bedeutet Aufwand eines Tätigkeitsmusters?

Die Diskussion hat im Thread zur Textreihe Teil 4 begonnen.

Ich probiere mal, ob wir diese Diskussion parallel führen können. Nochmal vorweg: Was ist die Frage, die es zu klären gilt? So wie ich es verstehe, brauchen wir eine Zahl, die den Aufwand einer Tätigkeit angibt. Die Einheit ist nicht wichtig, die Zahlen sollen nur relativ zueinander Sinn ergeben. Die Zahl sollte mit dem Tätigkeitsmuster verknüpft sein und von dort für jede Tätigkeit übernommen werden. Ich hoffe, dass das so weit Konsens ist.

Es würde mich überraschen, wenn wir allgemein und dauerhaft gültig eine Berechnungsvorschrift für den Aufwand einer Tätigkeit aufstellen könnten. Es gibt viele Kriterien, die da reinspielen könnten: Die Zeitdauer, wie (körperlich oder geistig) anstrengend etwas ist, ob es Gefahren gibt, ob es Spaß macht, und Vieles mehr. Spätestens beim Spaß merken wir, dass es auch eine persönliche Komponente beim Aufwand gibt. Also nicht jeder Mensch nimmt den Aufwand gleich wahr (sogar sehr unterschiedlich). Da sich dieser Teil des Aufwands aber nicht allgemein mit dem Muster ablegen lässt und auch viel mit Fähigkeiten (internalisierte Muster) zu tun hat, möchte ich das hier zunächst weglassen.

Wenn es also keine allgemeine Berechnungsvorschrift geben kann, dann können wir nur ein System anbieten, mit welchem der Aufwand berechnet werden kann. Dieses System kann dann in verschiedenen Umgebungen und zu verschiedenen Zeiten in verschiedenen Ausprägungen existieren. So könnte es aussehen:

  • Es lassen sich Aufwandskriterien definieren. Jedes Kriterium hat einen erlaubten Wertebereich (Zahlen von - bis).
  • Mehrere Kriterien können zusammen genommen, jeweils mit einem Faktor multipliziert und aufsummiert werden. Das Ergebnis gibt den Aufwand bezogen auf diesen Satz von Kriterien an.
  • Ein solcher Satz von Kriterien kann (mit den Faktoren) festgehalten und wiederholt verwendet werden. Typischerweise wird er sich nur selten ändern.
  • Nach Abschluss einer Tätigkeit bewertet der/die Durchführende nun den Aufwand nach diesem Satz von Kriterien.
  • Nach mehreren Bewertungen ergibt sich ein Durchschnittswert.

Da mir das nun schon ganz schön umfangreich scheint, würde ich hier zunächst mit meiner Beschreibung aufhören und noch auf ein paar Fragen eingehen, die sich mir gleich gestellt haben.

Angenommen, ich bekomme Trava-Punkte nach dem Aufwand. Warum sollte ich nicht immer eine maximale Bewertung abgeben damit ich maximal viele Punkte bekomme? Klar, das ist die eine Seite. Die andere Seite ist, dass ich ja das Muster bewerte. Wenn ich dem Muster einen hohen Aufwand bescheinige, sage ich damit auch, dass es sich um ein schlechtes Muster handelt. Und schlechte Muster werden nicht verwendet. Es wird immer Ausreißer bei der Bewertung geben, aber daher werden ja auch viele Bewertungen herangezogen. Und da es beide Kräfte gibt, dürfte das System zu einer realistischen Bewertung des Aufwands tendieren.

Das glaube ich noch nicht. Wenn Menschen irgendwo etwas angeben sollen, tragen sie da tendenziell auch gerne Unfug ein. Möglich. Aber steht deshalb in der Wikipedia nur Unfug? Haben wir nicht aus eben solchen großen Projekten gelernt, dass so etwas funktionieren kann? Ich behaupte: Ja. Insbesondere weil es wie oben beschrieben verschiedene Kräfte gibt, die Menschen bei der Bewertung beeinflussen.

Ich bin gespannt auf eure Gedanken. Es gibt noch viel im Detail zu klären. Mich interessiert zunächst, ob aus eurer Sicht etwas grundsätzlich gegen diese Herangehensweise spricht. Und falls ihr ein Beispiel braucht, wie das funktionieren soll, sagt gerne Bescheid.

Schön beschrieben, vielen Dank für die Mühe!

An der Stelle angemerkt: Für mich ist die Aufwandsfrage die relevante Frage, die mir persönlich noch im Weg steht, um daran zu glauben, dass die Software auch wirklich ihren Zweck erfüllt.

Das ist eben das Hauptproblem für mich und es kann sein, dass sich die beiden Kräfte ausgleichen, aber ganz daran glauben kann ich nicht. Ich glaube, der individuelle Vorteil ein Muster einfach „möglichst hoch“ zu bewerten wird eher gesehen als ein „wenn ich den Aufwand hoch bewerte, wird es im Konfigurationsprozess tendenziell seltener vorgeschlagen und ich kann mich dem weniger häufig annehmen“. Ich glaube auf jeden Fall, dass das eine Rolle spielt, aber ob sichs ausgleicht - weiß ich nicht.

Die Frage ist auch: Ist es möglich, spezielle Muster zu entwerfen, die nur konzipiert sind um bei sehr speziellen Bedürfnissen aufzutauchen, die schließlich durch einen selbst (oder Freunde) vermittelt werden, nur um mir so sehr easy einen großen Vorteil zu holen? Also ist es möglich, im kleinen Rahmen über den Entwurf und die Bewertung von Mustern die anderen Beteiligten zu betrügen?

Versteht ihr, was ich meine? Und, @raffael, weil das schon im Thread „Teil 4:…“ Thema war: Bei solchen Überlegungen nehme ich tatsächlich immer ein sehr egoistisches Menschenbild zur Hand. Ich denke einfach, dass wenn es mit diesem Menschenbild funktioniert, dann funktioniert es auch mit allen anderen.

Das wäre auch so mein Stand und hier bräuchten wir wahrscheinlich jemanden, der/die sich mit Umfragen auskennt. Wäre ich super gespannt, wie das am Ende herausgestellt wird, aber die Möglichkeit ist sehr gut. Vielleicht muss die Umfrage dann nicht nach der Tätigkeit ausgefüllt werden, aber wenn ich mir Zeit dafür nehme, dann bekomme ich noch ein paar Punkte extra (das ist echt ein großer Vorteil, wenn es kein Kreislauf ist)

Was ich mir beim vierten Teil noch gedacht habe:

Wenn es einen, ich sage jetzt einfach mal, „interpersonalen Raum“ gibt, dann können manche Problematiken abgemildert werden. Ich muss mich rechtfertigen, bzw. kann es sein, dass ich mich rechtfertigen muss und eventuell sanktioniert werde, wenn ich offensichtlich versuche mir durch die Aufwandsbestimmung einen Vorteil zu verschaffen.

Das ist hauptsächlich inspiriert über Elinor Ostroms Design-Prinzipien für langlebige Commons-Institutionen, von denen ich ja sehr viel halte. Das Zitat bezieht sich daher auch auf Commons-Institutionen, aber lässt sich ja „weiterdenken“:

  1. Monitoring der Nutzer und der Ressource: Es muss ausreichend Kontrolle über Ressourcen geben, um Regelverstößen vorbeugen zu können. Personen, die mit der Überwachung der Ressource und deren Aneignung betraut sind, müssen selbst Nutzer oder den Nutzern rechenschaftspflichtig sein. (Übersetzung von Silke Helfrich, Fair, Frei und Lebendig, 317)

Das heißt: Entweder ein kollektiver Prozess oder wirklich, dass Personen die Aufwandsbestimmung rechenschaftspflichtig überwachen können. Damit würden wir dann natürlich eine ganz neue Ebene aufmachen - was ich okay finde.

(ich komm hier übrigens gerade nicht so hinterher, wie ich gerne würde. Ich hoffe, das unterbricht die Diskussionen nicht zu sehr)

Ich versuche mal zu zeigen, wie ich mir das konkret vorstelle:

1. Tätigkeit durchführen

Wenn ich eine Tätigkeit durchführe, wird mir vorher gesagt, wie hoch der festgelegte Aufwand für die Tätigkeit ist und wie viele Punkte ich daher bekommen werde. Ich kann also mit einer eventuellen Bewertung des Musters meine eigene Punktezahl zumindest für diese Durchführung nicht beeinflussen.

2. Tätigkeitsmuster bewerten

Du hast die Tätigkeit XYZ erfolgreich durchgeführt. Bitte bewerte nun deinen Aufwand. Bitte gib eine möglichst realistische Bewertung ab. Wenn du den Aufwand herunterspielst, bekommen Menschen für die Durchführung des Musters zu wenig Punkte, können sich ihre Bedürfnisse nicht mehr befriedigen lassen und damit auch deine Bedürfnisse nicht mehr befriedigen. Wenn du beim Aufwand übertreibst, wird das Muster in Zukunft nicht mehr verwendet werden und andere, eigentlich schlechtere Muster werden diesem Muster vorgezogen - auch du kannst dann keine Tätigkeiten mehr nach diesem Muster ausführen.

  • Wie erschöpft warst du nach Durchführung …? (sehr müde, …, war ok, …, frischer als vorher)
  • Wie lange (in Stunden) hat es gedauert?

Deine Bewertung jetzt Abschicken!

Entscheidender Punkt hierbei: Der Zusammenhang zu den Punkten unter 1. ist überhaupt nicht sichtbar. Die Aufwandszahl kann sich nach der Bewertung ändern und wenn du aufmerksam bist, nimmst du wahr, in welche Richtung deine Bewertung vom Durchschnitt abgewichen ist. Aber du kannst sie nicht mehr ändern. Nur Insider kennen die genaue Berechnungsvorschrift (natürlich darf sie jeder wissen, aber nur die Wenigsten werden sich dafür interessieren).

3. Bewertungen einsehen

Alle Bewertungen können jederzeit eingesehen werden. Evtl. können sie auch diskutiert werden - nicht mit dem Ziel sie zu ändern, sondern herauszufinden, ob jemand mutwillig bescheißt. Und wenn ja, dann gibt es Sanktionierungsmechanismen, einen habe ich im Thread über die Bedürftigkeit vorgeschlagen.

Noch nicht überzeugend genug?

Ich kann nicht beweisen, dass es funktioniert. Was ich noch machen kann ist, mir negative Dynamiken zu durchdenken.

Was passiert denn, wenn einzelne Personen den Aufwand falsch bewerten? Vermutlich wird es (öffentliche) Sanktionen geben, ihre Bedürfnisse werden nicht mehr so gut befriedigt. Das mache ich nicht zweimal.

Und eine Art Verschwörung? Mehrere Leute treiben den Aufwand für mehrere Muster immer weiter in die Höhe? Viele Bewertungskriterien kennen eine Obergrenze. Die Muster unterscheiden sich irgendwann nicht mehr in ihrer (hohen) Aufwandszahl, die Bedürfnisse der Menschen werden vielleicht markiert (auch in tieferen Ebenen). Wenn es soweit sein sollte, werde auch passende Mechanismen gefunden werden, oder?

Bestimmt. Aber das geht ja in Richtung der Verschwörung. Und es werden dann auch parallel andere Muster mit kleinerem Aufwand entwickelt werden, die viel eher verwendet werden.

Wenn das Grundprinzip des Systems zu Inklusion führt, dann wird Betrug im größeren Stil nicht funktionieren.

Wie du es beschreibst, bin ich überzeugt. Ein Fragebogen und vorher den klare Hinweis darauf, dass ein Muster durch die Angabe eines hohen Aufwands abgewertet wird etc. - Wenn es erreicht ist, dass Muster wirklich sehr verbreitet sind, dann sollte das ausreichen.

Das Problem ist vielleicht besonders anfangs - wenn es wirklich einfach sehr viele Muster gibt, die nur in Einzelfällen angewendet werden. Aber das muss jetzt auch nicht unser Problem sein.

Also was es zu tun gibt: Wir brauchen so einen Fragebogen. Ich denke nicht, dass wir geeignet sind, so etwas zu erstellen. Wer könnte dafür geeignet sein? Welcher Studiengang o.ä. würde dazu passen? Ich kann mir auch vorstellen, dass anderswo bestimmt schon versucht wurde, Aufwand zu quantifizieren. Danach könnten wir uns auf die Suche machen.

Finde ich passend. Für mich wäre das der Fragebogen, mit dem wir starten. Die Software muss erlauben, dass der Fragebogen angepasst wird. Und vielleicht sogar, dass mehrere Versionen gleichzeitig existieren. Ich kann mir vorstellen, dass es da beispielsweise kulturell große Unterschiede in den Vorstellungen von „Aufwand“ gibt.

Auf jeden Fall habe ich nicht das Gefühl, dass wir bei diesem Thema „Gott“ spielen dürfen. Es sollte aus meiner Sicht Aufgabe der Community sein, dieses Hilfsmittel stets weiter zu entwickeln. Mechanismen, die diese Weiterentwicklung erlauben, müssen wir ebenfalls finden. Wir können uns da aber sicher gut an anderen großen Gemeinschaftsprojekten orientieren.

Kann ich mich nur anschließen. Wir brauchen eben einen Fragebogen um den Prozess anzustoßen und dann Mechanismen, wie das weiterentwickelt werden kann.

Das könnte auch wirklich ein Problem werden, da der Aufwand eines Tätigkeitsmusters ja allgemeingültig festgelegt werden muss - … würde ich sagen. Muss er das eigentlich? Kann der Aufwand eine lokale Komponente haben, weil etwa auch die klimatischen Bedingungen verschiedene sind? Da der Konfigurationsprozess immer lokal ist, sehe ich nicht, dass es ein Problem wäre, wenn der Aufwand von Tätigkeitsmustern sich lokal unterscheidet, wenn er dort nur jeweils feststeht.

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Eine andere Möglichkeit, den Aufwand vielleicht nicht allgemein zu benennen, aber die Zahl zu schärfen, wäre der Vergleich. Welche der Tätigkeiten, die ich gemacht habe, finde ich am anstrengensten? Welche am leichtesten? Vielleicht - wage These - würde sich über eine große Anzahl von Menschen, die eine dichte Mustersprache verwenden (eher wenig Muster für eine Vielzahl von Anwendungen) auch ohne Umfrage so ein Aufwandswert ergeben. Und es ist vielleicht sogar weniger zufällig als ein Fragebogen.

Ich glaube, super-essentiell ist, dass nicht jedes Tätigkeitsmuster mit Aufwand beschrieben werden muss. Nur solche Tätigkeitsmuster brauchen eine Aufwandszahl, bei denen Effizienz wichtig ist. Eine Kritik, die ich oft höre und die super gerechtfertigt ist, ist, dass Tätigkeiten in der Pflege etc. nicht nach einem Aufwands/Effizienz-Maßstab gemessen werden sollen. Und das ist vollkommen richtig.

Vielleicht können wir das kategorisch unterscheiden und ich denke, die reine Produktion/Reproduktions-Geschichte bringt uns nicht viel weiter. Vielleicht: Tätigkeit an Menschen und Tätigkeit für Menschen…

Für den Konfigurationsprozes haben wir dann noch (soweit ich das bisher sehe) die Nachhaltigkeitsbewertung und Sorge-Qualität, mit denen die Tätigkeiten geordnet werden können.

Nur so ein Gedanke: Vielleicht wäre bei der Einschätzung des Aufwandes auch ein Perspektivwechsel möglich: Weg von einem objektiven, vergleich- bzw. messbaren (ergo effizientem) Urteil, hin zu einem subjektiven so nach dem Motto „angemessen“ oder „zufriedenstellend“ bzw. „fühlt sich gut an“ (mehr Suffizienz-Denke)? Kann man das vielleicht auch brauchbar auswerten?

Das mit dem Vergleich fänd ich aber auch gut! Wenn jemand mehrere Methoden/Wege ausprobiert hat, kann er schlechtere (ggf. nach konkreten Kriterien wie Zeit, Material u.s.w.) abwerten.

Das Problem mit „fühlt sich gut an“ etc. ist, dass es natürlich sehr subjektiv ist. Die Anwender:innen können durch die Auswahl an möglichen Tätigkeiten selbst sagen, auf was sie Lust haben und die Tätigkeiten in ihrer (Tätigkeits-)Bibliothek bewerten - was als Auswirkung hat, dass ihnen Tätigkeiten vorgeschlagen werden, die sich für sie gut anfühlen. Wenn ich alleine mich anschaue: Manche Tage ist harte körperliche Arbeit (Irgendwas rumschleppen oder aufhacken oder wasauchimmer) das schlimmste und manchmal ist es genau das, was ich brauche. Und ich finde es auch schwierig dieses „Gefühl“ festzustellen, wenn die anderen Bedingungen nicht klar sind. An einem Tag wird zusammen mit netten Leuten gearbeitet und jemand verteilt Limo und im Hintergrund läuft Dub und alles ist cool - dann bewerte ich tendenziell auch Steine hacken als schöne Tätigkeit. Und am anderen Tag mache ich das mit einem Haufen Vollidioten, aber es muss gerade wirklich gemacht werden, aber Bock hab ich auf die Tätigkeit nicht.

Was ich damit sagen will: Ich denke schon, dass der Aufwand so allgemeingültig wie möglich festgestellt werden muss und die „Lust“ muss in den Auswahlprozess der Nutzenden verlegt werden.

Und zweiter Grund: Commoning (so wie es im Softwarekonzept verstanden wird) ist immer erst Bedürfnisvermittlung und dann Tätigkeit bzw. Kooperation. Und der Prozess der Bedürfnisbefriedigung kann daher mitunter sehr lange dauern und die Frage ist, ob das noch im Rahmen des vermittelten Bedürfnisses ist (also, ob die Person dann doch lieber in den Supermarkt geht o.ä.). Ich denke, dass wirklich Effizienz etwas ist, das nicht aus den Augen gelassen werden darf, wenn wir wirklich eine Alternative zur kapitalistischen Produktionsweise schaffen/unterstützen wollen.

Denkbar ist ja auch, dass es mehrere Möglichkeiten gibt. Der Vergleich zum Beispiel um etwas zu schärfen. Wenn allerdings nur Tätigkeiten für ein bestimmtes Resultat verglichen werden, würden wir immer noch nicht auf eine allgemeingültige Aufwandszahl kommen (ob der Vergleich untereinander dann Aufwandszahl 3, 7, 15 hervorbringt oder 300, 700, 1500 wäre ja in dem kleinen Rahmen egal - was fehlt ist der Bezug zu allen anderen Tätigkeiten).

Aber angenommen alle Beteiligten würden wirklich alle Tätigkeiten, denen sie nachgegangen sind miteinander vergleichen - also eine Liste anfertigen von „aufwendig“ bis „unaufwendig“ - und diese Listen aller Teilnehmenden würden miteinander verglichen werden - dann könnte das schon klappen.

Das kann ja im Hintergrund ablaufen. Also nach der Tätigkeit erst kurze Umfrage mit vielleicht drei Fragen: „Wie viel Stunden hast du gebraucht?“, […etc…], dem wird dadurch eine Zahl zugeschrieben und dann wird nochmal abgefragt: „Ordne den Aufwand der Tätigkeit zwischen diese Tätigkeiten ein, denen du bisher nachgegangen bist“. Und dann ist da eine kleine Liste mit bisher gemachten Tätigkeiten, die laut der Umfrage etwa denselben Aufwandswert haben und die Beteiligten stecken die neue Tätigkeit irgendwo dazwischen und können die angezeigten Tätigkeiten auch nochmal neu ordnen. Also, die Beteiligten müssten nie in irgendein Funktionsfeld nur um die Tätigkeiten anzuordnen, sondern würden immer nur einen Ausschnitt dieser Liste sehen. … ich finde, das könnte schon klappen.

Du hast schon völlig recht damit, dass Meinungen recht subjektiv und launenhaft sein können. Aber dennoch: Menschen entscheiden genau so! Viel weniger mit dem Kopf und viel mehr mit Gefühl und unter Emotionen, als wir uns das heute in der Breite eingestehen wollten. Ich verstehe Dein Bedürfnis danach, das Ganze möglichst rational zu halten und das ist im Sinne der Effizienz auch genau richtig. Aber das ist eben nur die eine Seite der Medaille, welche insbesondere aktuell eben auch sehr überbetont wird. Denn objektive Effizienzkriterien müssen stets messbar (wissenschaftlich) sein, was dann auch sogleich eine Berechenbarkeit und den einfachen Vergleich ermöglicht. Wohin dieser alleinige Ansatz jedoch führt, merkst Du gerade konkret bei Deiner Frage der Nachhaltigkeit im Projekt, als auch an den gesellschaftlichen Entwicklungen im Allgemeinen…

Es gibt auch online einen Trend nach subjektiven Meinungen als Entscheidungskriterium: Nutzerbewertungen bei ebay, Amazon oder auch bspw. Arztportalen… Ich wette, die allermeisten Käufer richten sich vordergründig instinktiv nach dieser groben Einschätzung und schauen erst in zweiter Instanz auf andere objektive Kriterien, die sie persönlich für wichtig erachten. Das Problem ist nämlich meiner Meinung nach - und Du merkst es hier vieleicht auch - dass es sehr aufwendig werden kann, alle wichtigen Kriterien zu erfassen, sie zu messen, sie auszuwerten, sie gewichtet zu kombinieren und als Entscheidungtendenz darzustellen. Solch eine hochkomplexe „rationale Entscheidung“ fällt dem Gehirn wohl ähnlich schwer, weshalb es sich eben gern auf „das gute Gefühl dabei“ als Gesamteinschätzung, die alle Sinne und das Unterbewusste mieinbezieht, verlässt. Und das kommt (oft auch leider!) automatisch, wenn viele andere dieses Gefühl teilen.

An anderer Stelle meintest Du als Reaktion auf meine vielleicht wirklich ungünstige Wortwahl, dass das Programm keine Seele erhalten soll. Das kann es ja auch niemals! Es ist und bleibt ein seelenloser Algorithmus. Aber: Menschen, die es nutzen, müssen das ja nicht so empfinden. Ich denke da eben genau an dieses Szenario, dass als Empfehlung etwas ausgegeben wird, dass die Meinung vieler Menschen widerspiegelt. Der Nutzer empfindet es vielleicht als Teil der Software, weil er sich nicht ganz bewusst macht, dass diese Empfehlung, Wertung oder Entscheidung nicht von einem Algorithmus stammt, sondern die konkreten Erfahrungen und resultierenden Meinungen vieler Menschen zusammenfasst, listet und angibt.

Weiß nicht, ob mein Punkt halbwegs klar wird… ist auch schwierig. Aber hier tut sich vielleicht ein ähnlicher Abgrund auf, wie bei der Commons-Lizenz für gesellschaftliche Mittel und hier Treffen zwei Welten aufeinander, die bisher noch nicht so recht zusammengefunden haben: Computer & menschliche Subjektivität.

Ich glaube, der Aufwand muss oder kann zweigleisig erfasst werden (bzw. alternativ): einerseits durch objektive Kriterien, deren Messung und Kalkulation, andereseits durch „menschlich-subjektive Bewertungen“. Letzteres entschärft vielleicht eben auch hochkomplexe Kalkulationen wie die Frage nach der Nachhaltigkeit

Um da vielleicht noch einen drauf zu setzen: Wonach werden Menschen denn entscheiden, welchen Bedürfnissen anderer sie sich annehmen werden? Heutzutage ist die Frage simpel zu beantworten, denn gesellschaftlich betrachtet ist für jeden der Eigennutz bzw. Profit maßgeblich. Verkürzt azsgedrückt: Erhöht sich die Zahl auf meinem eigenen Konto, dann unterstütze ich das umso mehr! Das ließe sich mit einem Algorithmus nach Effizienzkriterien vermutlich sehr gut unterstützen… Was motiviert bzw. welche Anreize verlocken die Menschen jedoch in der Utopie? Worin sehen sie zukünftig Sinn, wenn es nicht mehr der maximale Eigennutz ist? Ich bin inzwischen recht stark davon überzeugt, dass das Maß der Dinge in Zukunft die Lebendigkeit sein wird! Also die Frage, ob die Befriedigung eines eingebrachten Bedürfnisses die Entfaltung von Leben und Lebendigkeit fördert oder nicht, vielleicht gar blockiert so wie Profitstreben es halt tut… Und jetzt zum Punkt: Wie wollte man das denn algorithmisch fassen? Ich denke, Nachhaltigkeit ist nur ein wesentlicher Unterpunkt dabei, aber vor allem mit objektiven, kalkulierbaren Effizienzkriterien erfassen zu wollen, was dem Leben dient und es fördert, halte ich für äußerst schwierig und kaum praktikabel. Außerdem: Lebendige Systeme erscheinen oft nicht sehr effizient, sondern funktionieren gut, indem sie Überfluss produzieren… Als tatsächliches und allumfassendes Maß für Aufwand könnte ich mir aber tatsächlich den Energieverbrauch vorstellen. Bei lebendigen Systemen gehts aber auch viel öfter um andere Formen als elektrischen Strom… G. Hüther meint bspw., dass das Hirn immer Zustände anstrebt, die wenig Energie brauchen. Sogenannte „Kohärenzzustände“ bei denen eben alles im Fluss ist… und die „sich gut anfühlen“.

Das Thema lässt mir gerade keine Ruhe…

Könnte es sein, dass der Energie-Gedanke von zentraler Bedeutung ist!?! Ich kann es mir praktisch auch noch nicht ganz ausmalen, aber wie wäre der Ansatz, als Maß für den Aufwand den notwendigen Energieeinsatz zu beziffern?? Der wäre aus Sicht der Effizienz ganz offensichtlich naheliegend und würde auch das Thema Nachhaltigkeit integrieren, weil am ressourcenschonendsten ist, Prozesse möglichst energiesparsam zu gestalten. Zum Beispiel, indem genutzt wird, was bereits da ist, ohne es neu herstellen zu müssen. Oder energieeffiziente Muskelkraft der höchst ineffizienten Verbrennung von Kohlenstoff vorzuziehen (Ackern mit Pferd statt Traktor). Aber ab einer gewissen Distanz könnte neu Herstellen auch nachhaltiger (da energiesparsamer) sein, als der Transport. Auch Rohstoffe aus der Erde graben, kostet viel Energie und ist von Nachteil im Vergleich zur Nutzung bereits oberflächlicher Stoffe… bis zu einem gewissen Grad, denn der energieaufwendige Spaten aus aus Eisen „lebt“ auch dramatisch länger als der aus Holz, was sich im Aufwand rechnen könnte!? Aber wie viel Energie steckt denn letztlich in einem Spaten? Allein dieses einfache Werkzeug wäre hyperkomplex zu erfassen. Wenn aber ein jeder Beteiligte am Gesamtprozess seinen Energieaufwand dafür angibt und die SW die Gesamtbilanz über alle beteiligten Einzelprozesse zieht, wäre die Komplexität kein Problem mehr. Fragt sich nun nur noch - da liegt wohl der Hase im Pfeffer - wie (gut) jeder einzelne seine Arbeiten energetisch genau erfassen kann?

Und das Fluss-Beispiel ist auch noch nicht gelöst, wenn Kollateralschäden nicht internalisiert werden. Es müssten also auch alle Teil-Commoning-Prozesse mit in die Konfiguration erfasst werden, die nötig werden, um beim Herstellungsprozess aufgetretene ungünstige Nebenerscheinungen wieder zu beseitigen…

Bin mir nicht sicher, ob diese Gedanken etwas bringen oder wohin sie führen könnten, aber ich wollte sie mal mit reingeben.

Vielen Dank erst einmal @HomoVitalis für die Ausführungen!

Ich habe erst angefangen dir hier zu antworten, dann aber gemerkt, dass meine Antwort im Nachhaltigkeits/Sorgequalitäts- Thread besser aufgehoben ist.

Stunden, gewichtet mit… Faktoren. Gewichtete Stunden. Je länger ich darüber nachdenk, desto weniger Gründe fallen mir ein, das nicht so zu machen. Und wir können ja erstmal mit dieser Einheit umgehen, bis jemanden eine bessere Idee hat. Zugegeben finde ich es gerade hauptsächlich unbefriedigend in den Texten und Grafiken immer willkürlich irgendwas einheitslos hinzuschreiben. Und: Arbeitszeit ist einfach am einfachsten denkbar und passt sich einfach dem Leben an. Ich finde das schon voll okay.

Gibt es da erstmal Widersprüche? Habe ich was übersehen?

Ich glaube, das Problem, das wir bisher hatten, ist auch einfach, dass wir nicht sauber getrennt haben. Bisher wollten wir mit der Aufwandsbestimmung sowohl Effizienz als auch Fairness erreichen. Aber das zusammenzuführen, nur weil beides irgendwie gemessene menschliche Tätigkeit ist, ist wahrscheinlich Quatsch.

Effizienz heißt: Die Zeitspanne zwischen Bedürfnisvermittlung und Bedürfnisbefriedigung soll möglichst kurz sein. Die Einheit dafür ist ganz klar die Zeit, also muss auch die Zeit der Tätigkeiten dafür im Konfigurationsprozess herangezogen werden. Und nichts anderes und auch nicht gewichtet o.ä.

Fairness heißt: … etwas anderes. Zum Beispiel wie ungern sich der Tätigkeit angenommen wird oder wie wichtig sie für den Gesamtprozess ist oder oder oder. Das müssen wir noch herausstellen. Aber diese daraus resultierende Reputation/Anerkennung muss unabhängig vom Konfigurationsprozess sein.

Kein Widerspruch, im Gegenteil. Ich fand gewichtete Stunden beim Lesen von „Beitragen statt Tauschen“ einleuchtend…

Deine Definition von Effizienz teile ich nicht! Sie trifft nur in unsere heutigen Gesellschaft zu. Insbesondere, wenn das alleinige Maß eine schnelle Lösung unter möglichst geringem eigenen Zeitaufwand ist, dann sind die herrschenden Verhältnisse doch geradezu optimal. Das verleitet ja geradezu, den Aufwand möglichst auf andere auszulagern und sich auch an höchst energieintensiver Automatisierung ohne Rücksicht auf dessen Konsequenzen zu bedienen. Permakultur zieht ganz explizit langsame Lösungen vor, auch wenn das im einzelnen Fallbeispiel oft nicht zutreffen kann. Aber im Allgmeinen.

Für mich ist der Aufwand, den Du meinst, eben nur der individuelle. Aber es ist nicht der tatsächliche Aufwand, der systemisch betrachtet betrieben wird!

Dass hier der individuelle gefragt ist, leuchtet mir ein. Dennoch wäre es eine gute und für mich zwingende Gelegenheit, dem Nutzer klar zu machen und vor Augen zu führen, was für ein Rattenschwanz und tatsächlicher Gesamtaufwand an seiner Entscheidung hängt… Das fehlt uns nämlich heute, wenn wir uns am Preis orientieren, der anzeigt, wie viel eigenen Aufwand (Lohnarbeit) ich dafür aufbringen muss.

@HomoVitalis: Achso, nein. Das war einfach unscharf ausgedrückt. Ich habe da schon den Aufwand der Konsequenzen etc. mitgedacht, wie wir das im Nachhaltigkeitsthread diskutiert haben :slight_smile:

Also: Aufwand PKW-Transport + Aufwand Wartung + Aufwand CO2-Reduktion etc. Also „es soll wenig Zeit brauchen inklusive der Zeit aller Konsequenzen, die es mit sich bringt“

Nachtrag: Ich glaube auch, ich brauch nicht mehr allzu lange bis ich mal das neue Kapitel zum Konfigurationsprozess hier zur Diskussion stellen kann. Das macht die Diskussion dann vielleicht noch etwas einfach.